Ihr Einstieg: Regelungen zur Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Erwerbstätigkeit

Ihr Einstieg: Regelungen zur Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Erwerbstätigkeit

Das Thema Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Erwerbstätigkeit ist ein zentrales Thema in der Gleichstellungsarbeit. Die Relevanz der Thematik findet auch Ausdruck in den jeweiligen Gleichstellungsgesetzen des Bundes und der Länder. Im Folgenden zeigen wir Ihnen auf, welche gesellschaftliche Relevanz das Thema hat, geben Ihnen anhand von Beispielen einen Überblick über die wichtigsten Regelungen bzw. Maßnahmen und verdeutlichen Ihnen, was diese letztlich für Ihre Arbeit als Gleichstellungsbeauftragte bedeuten.

    Unsere Gesellschaft: der Gender Care Gap

    Es gibt in Deutschland unterschiedliche Indikatoren, die aufzeigen sollen, wo die Gleichstellung von Frauen und Männern in unserer Gesellschaft steht. Dazu zählt neben dem allseits bekannten Gender Pay Gap auch der sogenannte Gender Care Gap.

    Dieser stellt den unterschiedlichen Zeitaufwand dar, den Frauen und Männer jeweils für unbezahlte Sorgearbeit aufbringen. Unter Sorgearbeit werden unter anderem die Arbeit im Haushalt, Kinder- und Pflegebetreuung und Ähnliches verstanden, aber auch die Frage, wer in der Familie die sogenannte Organisationsarbeit übernimmt, den Mental Load trägt.

    Der Indikator Gender Care Gap wurde im Rahmen des 2. Gleichstellungsberichts der Bundesregierung eingeführt. Laut dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geht aus diesem Bericht hervor, dass Frauen eindeutig mehr Zeit für Care-Arbeit aufwenden als Männer. Frauen verbringen demnach durchschnittlich täglich 52,4 % mehr Zeit mit unbezahlter Sorgearbeit als Männer.

    Des Weiteren wird differenziert zwischen „direkter“ Care-Arbeit und „unterstützender“ Care-Arbeit. Letzteres umfasst lediglich Haushalt, Ehrenamt und Ähnliches, während Ersteres Kinder- betreuung und Pflege von Angehörigen etc. umfasst. Dort wird der Gap noch deutlicher: 108,3 % beträgt hier der Care Gap im Bereich der direkten Care-Arbeit! Frauen übernehmen somit mehr als doppelt so viele direkte Care-Arbeit wie beispielsweise Kinderbetreuung und Pflegeaufgaben als Männer.

    Die Konsequenz: Frauen häufiger in Teilzeitarbeit

    So sind es häufiger Frauen, die einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen. Laut Statistischem Bundesamt befanden sich im Jahr 2019 insgesamt 77,8 % der erwerbstätigen Frauen in einer Teilzeitbeschäftigung. Dies bringt wiederum wirtschaftliche Nachteile mit sich.

    Zum einen verdienen Frauen durch die kürzeren Arbeitszeiten weniger Geld und zum anderen haben sie folglich im Alter niedrigere eigenständige Alterssicherungsansprüche.

    Kinder als sogenannter Karriereknick

    Zudem scheint es auch heute noch häufig der Fall zu sein, dass Frauen sich gezwungen sehen, sich zwischen Kind und Karriere zu entscheiden. Offensichtlich ist es in unserer Gesellschaft noch nicht etabliert, dass sich eine gleichmäßige Aufteilung der Aufgaben im beruflichen und im privaten Bereich als attraktive Lösung für beide Eltern erweisen kann.

    An dieser Stelle sind auch die Arbeitgeber*innen gefragt, unterstützend tätig zu werden: Zum einen sollten sie Berufs- und Karrieremöglichkeiten trotz Familien- und Pflegeaufgaben ermöglichen und zum anderen insbesondere auch Männer dazu motivieren, vermehrt die Aufgaben im Familien- und Pflegebereich zu übernehmen.

    Die vorherrschenden Strukturen und Strömungen in unserem Arbeitsleben haben direkte Auswirkungen auf die Strukturen und Organisation unseres Privatlebens und somit auch mittelbar auf die Rollenverteilung. Die Relevanz dieser Thematik hat auch der Gesetzgeber erkannt und im Rahmen der Gleichstellungsgesetze den Themenbereich Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Erwerbstätigkeit direkt mit einfließen lassen.

    Werfen Sie einen Blick in Ihr Gesetz

    Im Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG) sowie auch in den einzelnen Landesgleichstellungsgesetzen (LGG) finden sich an unterschiedlichen Stellen entsprechende Regelungen zum Thema Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Erwerbstätigkeit. Während Sie im BGleiG hierzu Normen im Abschnitt 4 (§§ 15 bis 18 BGleiG) finden können, regeln beispielsweise Länder wie Nordrhein-Westfalen (NRW) diesen Bereich im Abschnitt III (§§ 13 und 14 LGG NRW), Mecklenburg-Vorpommern ausführlich in Abschnitt 2 (§§ 5 bis 17 Gleichstellungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern) und Hessen im 3. Abschnitt (§ 14 Hessisches Gleichstellungsgesetz).

    Meine Empfehlung:
    Für Einsteigerinnen: Lesen Sie das Inhaltsverzeichnis
    Wenn Sie die passenden Normen zum Thema in Ihrem jeweiligen Landesgesetz nachlesen möchten, suchen Sie am besten zunächst im Inhaltsverzeichnis. Die Gleichstellungsegesetze verfügen über ein Inhaltsverzeichnis, in dem alle Normen mit der jeweiligen Überschrift aufgelistet sind. Diese sind wiederum in unterschiedliche Themenabschnitte untergliedert. So geben Ihnen bereits die Überschriften der Abschnitte sowie die einzelnen Normüberschriften einen ersten Hinweis, welche Normen für Ihre vorliegende Thematik relevant sind ohne, dass Sie das gesamte Gesetz duchlesen müssen. 

    Auch die Männer sind gefragt

    Das Besondere an den Regelungen hier ist, dass sich der Anwendungsbereich für Sie als Gleichstellungsbeauftragte auch auf die Männer bezieht, die Familien- oder Pflegeaufgaben übernehmen bzw. übernehmen möchten.

    Folgende Maßnahmen sind möglich

    Die Regelungen sehen regelmäßig Maßnahmen vor, die die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Erwerbstätigkeit fördern und ermöglichen sollen. Diese sind oftmals (durch das Wort „insbesondere“ im Gesetzestext gekennzeichnet) nicht als abschließend aufzufassen. Nachstehend haben wir Ihnen eine Übersicht über die Maßnahmen – orientiert am BGleiG – zusammengestellt:

    Übersicht: Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf

    Maßnahme Ausnahme
    Nicht möglich, wenn…
    Teilzeitarbeit… zwingende dienstliche Belange dagegen stehen
    Beurlaubung… zwingende dienstliche Belange dagegen stehen
    Angebot: mobiles Arbeiten / Telearbeitsplätzten… dies nicht im Rahmen der dienstlichen Möglichkeiten liegt
    Angebot an familienfreundlichen Arbeits- und Präsenzzeitmodellen… dies nicht im Rahmen der dienstlichen Möglichkeiten liegt
    Angebot und Durchführung von Fortbildungen während oder nach der Beurlaubung 
    Angebot Urlaubs- und Krankheitsvertretungen während der Beurlaubung zu übernehmen 
    Bevorzugung bei Stellenbesetzung und auf Wunsch nach Erhöhung der Arbeitszeit… eine geringere Qualifikation der*des Beschäftigten vorliegt
    Keine Benachteiligung bei der dienstlichen Beurteilung / Beförderung 
    Keine unterschiedliche Behandlung der Beschäftigten… sachliche Gründe dagegen stehen
    GBI 2108 NA UB0020 Vereinbarkeit Familie Beruf

    Familien- und pflegefreundliche Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen: ein Muss!

    Dreh- und Angelpunkt für die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Erwerbstätigkeit ist die Zeit, also vor allem auch die Arbeitszeit. Hier fordert beispielsweise § 15 BGleiG, dass die Dienststelle Arbeitszeiten (und sonstige Rahmenbedingungen) anzubieten hat, die die Vereinbarkeit erleichtern.

    Hinweispflicht bei Teilzeit und Beurlaubung

    Die Dienststellenleitung muss zudem auf die beamten-, arbeits-, versorgungs- und rentenrechtlichen Konsequenzen hinweisen, wenn Beschäftigte in Teilzeitarbeit oder in eine Beurlaubung gehen möchten. Dies ist mittlerweile in einer Vielzahl der Gesetze vorgesehen.

    Der berufliche Wiedereinstieg

    Es geht jedoch regelmäßig nicht nur darum, die Arbeitszeit zu reduzieren oder sich beispielsweise beurlauben zu lassen, sondern es soll auch ein Wiedereinstieg in die Vollzeitarbeit gut ermöglicht werden. Nach § 17 BGleiG müssen Teilzeitbeschäftigte, die zurück in eine Vollzeitstelle möchten, bei der Stellenbesetzung bevorzugt berücksichtigt werden, wenn sie die entsprechende Qualifikation besitzen. Beurlaubten soll daneben der Wiedereinstieg erleichtert werden, indem z. B. die Teilnahme an Fortbildungen während der Beurlaubung von der Dienststelle ermöglicht wird oder ihnen Kranken- und Urlaubsvertretungsdienste angeboten werden.

    Verbot der Benachteiligung

    Letztlich müssen Sie als Gleichstellungsbeauftragte darauf achten, dass die Beschäftigten mit Familien- und Pflegeaufgaben in der Dienststelle nicht benachteiligt werden. Vor allem darf die berufliche Karriere nicht darunter leiden. Insoweit darf sich keine der familien- oder pflegebedingten Maßnahmen nachteilig auf die Beurteilungen der Beschäftigten auswirken.

    Andere wichtige gesetzliche Grundlagen

    Für die weiteren rechtlich-inhaltlichen Bestimmungen zum Thema Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Erwerbstätigkeit sollten Sie folgende Gesetze ebenfalls im Blick haben:
    – Familienpflegezeitgesetz
    – Teilzeit- und Befristungsgesetz 
    – Pflegezeitgesetz
    – Elternzeitgesetz

    Hinweis:
    Mehr Kinderkranken- und Pflegetage dank Corona-Pandemie
    Im Zuge der besonderen Belastung in Zeiten von Corona möchten wir auf die neuen Bestimmungen zu den Kinderkrankentagen und Pflegetagen hinweisen (siehe hierzu näher in der Ausgabe April von „Gleichstellung im Blick“). Zur Erinnerung: Beschäftigte haben pro Elternteil und Kind bzw. pflegebedürftigen Angehörigen einen Anspruch auf 20 Tage im Jahr. Alleinerziehende haben einen Anspruch auf 40 Kinderkrankentage im Jahr 2021.

    Das ist Ihr Auftrag als Gleichstellungsbeauftragte

    Sie als Gleichstellungsbeauftragte haben die Aufgabe, die tatsächliche Umsetzung der Regelungen und Maßnahmen nach dem für Sie einschlägigen Gleichstellungsgesetz zu überwachen und zu fördern. Zudem müssen Sie insbesondere kontrollieren, ob das Verbot der Benachteiligung aufgrund von Familien- und Pflegeaufgaben in Ihrer Dienststelle eingehalten wird. Machen Sie zur Erfüllung dieser Aufgaben auch von Ihrem Initiativrecht Gebrauch und stehen Sie den Kolleginnen und Kollegen mit Familien- oder Pflegeaufgaben beratend zur Seite.

    (Quellen: https://kurzelinks.de/arbeitsmarkt, https://kurzelinks. de/gender-care-gap, abgerufen am 18.3.2021)

    FAQ-Bereich

    Für wen ist „Gleichstellung im Blick“?

    „Gleichstellung im Blick“ richtet sich speziell an Frauen-, Gleichstellungs- und Chancengleichheitsbeauftragte im öffentlichen Dienst und der freien Wirtschaft in ganz Deutschland.

    Kann ich „Gleichstellung im Blick“ probelesen?

    Ja. Wir bieten allen interessierten Frauen-, Gleichstellungs- und Chancengleichheitsbeauftragten die Möglichkeit eine Ausgabe 14 Tage lang kostenfrei zu lesen. Sie entscheiden erst dann, ob Sie einen kostenpflichtigen Bezug möchten oder nicht.

    Was bietet mir „Gleichstellung im Blick“?

    „Gleichstellung im Blick“ bietet allen Frauen-, Gleichstellungs- und Chancengleichheitsbeauftragten relevante, aktuelle und rechtssichere Informationen zur Herstellung von Chancengleichheit in der Arbeitswelt. Neben der gedruckten Ausgabe haben Leser*innen die Möglichkeit eine telefonische Sprechstunde für individuelle Fragen in Anspruch zu nehmen. Ebenso laden wir mindestens 1mal pro Jahr zu einem Netzwerktreffen zum Austauschen und Netzwerken ein. Ein Zugang zu einem Onlinebereich, in dem Sie Muster-Initiativanträge, Checklisten, Übersichten und Muster-Schreiben herunterladen können, rundet das Angebot ab.

    Was ist der Gender Care Gab?

    Der Gender Care Gap stellt den unterschiedlichen Zeitaufwand dar, den Frauen und Männer jeweils für unbezahlte Sorgearbeit aufbringen. Unter Sorgearbeit werden unter anderem die Arbeit im Haushalt, Kinder- und Pflegebetreuung und Ähnliches verstanden, aber auch die Frage, wer in der Familie die sogenannte Organisations- arbeit übernimmt, den Mental Load trägt.

    Was hat die Auswertung zu diesem Thema ergeben?

    Laut dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geht hervor, dass Frauen eindeutig mehr Zeit für Care-Arbeit aufwenden als Männer. Frauen verbringen demnach durchschnittlich täglich 52,4 % mehr Zeit mit unbezahlter Sorgearbeit als Männer.
    Des Weiteren wird differenziert zwischen „direkter“ Care-Arbeit und „unterstützender“ Care-Arbeit. Letzteres umfasst lediglich Haushalt, Ehrenamt und Ähnliches, während Ersteres Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen etc. umfasst. Dort wird der Gap noch deutlicher: 108,3 % beträgt hier der Care Gap im Bereich der direkten Care-Arbeit! Frauen übernehmen somit mehr als doppelt so viele direkte Care-Arbeit wie beispielsweise Kinderbetreuung und Pflegeaufgaben als Männer.