Wann eine Altersdiskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vorliegt und die diskriminierte Person Entschädigungsansprüche gegen den*die Arbeitgeber*in geltend machen kann, hängt immer auch von der jeweiligen Situation ab. Im Einzelfall muss so ein Nachteil aufgrund des Alters ausnahmsweise akzeptiert werden. Wann das der Fall sein kann und wie dies im Verhältnis zum sonstigen EU-Recht zu bewerten ist, damit hatte sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) auseinanderzusetzen; mit Beschluss vom 24.2.2022 (Az. 8 AZR 208/21) leitete es ein Vorabentscheidungsverfahren beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein.
Das ist passiert: Arbeitgeberin sucht eine Assistentin zwischen 18 und 30 Jahre alt
Die Arbeitgeberin ist als Assistenzunternehmen tätig und bietet Menschen mit Behinderungen Dienstleistungen wie Beratung, Unterstützung und Assistenzleistung in den verschiedenen Bereichen des Lebens an. Im Juli 2018 veröffentlichte sie ein Stellenangebot mit folgendem Inhalt: „[…] eine weibliche Assistentin in allen Lebensbereichen des Alltags, am besten zwischen 18 und 30 Jahre alt“. Auf die Anzeige bewarb sich eine Frau, die 1968 geboren war – ohne Erfolg.
Die Bewerberin klagte auf Entschädigung nach § 15 Abs. 1 AGG mit der Begründung, sie sei wegen ihres Alters diskriminiert worden. Sie hielt die Altersangabe in der Stellenanzeige für ein Indiz, dass die Arbeitgeberin keine ältere Beschäftigte wollte und dass sie deshalb abgelehnt wurde.
Das entschied das BAG: Das Verfahren wird dem EuGH vorgelegt
Da es sich bei dieser Assistenztätigkeit um einen besonderen Bereich handelt, haben die Richter*innen am BAG entschieden, das Verfahren dem EuGH vorzulegen. Dieser soll die Frage klären, ob im Hinblick auf die Auslegung der Charta der Grundrechte der EU sowie im Lichte des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen hier eine Altersdiskriminierung anzunehmen ist. Genauer gesagt möchte das BAG wissen, ob hier nicht die unmittelbare Benachteiligung aufgrund des Alters wegen dieser europäischen bzw. internationalen Übereinkommen ausnahmsweise gerechtfertigt sein kann und damit keine Altersdiskriminierung ist.
Fazit: Nicht jede Benachteiligung aufgrund des Alters ist verboten
Bekannterweise kennt auch unser nationales Recht Ausnahmen, nach denen Benachteiligungen wegen des Alters oder anderer Merkmale erlaubt sind. Bei der Altersdiskriminierung kann dies beispielsweise der Fall sein, wenn die Benachteiligung aufgrund eines legitimen Zieles erfolgt und die Mittel zur Erreichung dieses Zieles erforderlich und angemessen sind. Diese Regelung finden Sie speziell zum Alter in § 10 AGG als Ausnahmetatbestand mit etlichen Beispielen.
Nun wollen die Richter*innen am BAG klären, inwieweit die Tätigkeit als Assistenzkraft von Menschen mit einer Behinderung eine Ausnahme vom Benachteiligungsverbot wegen des Alters rechtfertigen kann. Es bleibt abzuwarten, wie der EuGH entscheiden wird und was dies für die weitere Praxis und Ihre Gleichstellungsarbeit bedeuten wird. Schließlich sind diese Tätigkeiten ganz überwiegend solche, die Frauen verrichten. Wir werden hierzu weiter berichten.
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Die Arbeitgeberin ist als Assistenzunternehmen tätig und veröffentlichte ein Stellenangebot mit der Suche nach einer weiblichen Assistentin in allen Lebensbereichen des Alltags, am besten zwischen 18 und
30 Jahre alt. Auf die Anzeige bewarb sich eine Frau, die 1968 geboren war – ohne Erfolg.
Die Bewerberin klagte auf Entschädigung mit der Begründung, sie sei wegen ihres Alters diskriminiert worden. Sie hielt die Altersangabe in der Stellenanzeige für ein Indiz, dass die Arbeitgeberin keine ältere Beschäftigte wollte und dass sie deshalb abgelehnt wurde.
Da es sich bei dieser Assistenztätigkeit um einen besonderen Bereich handelt, haben die Richter*innen am BAG entschieden, das Verfahren dem EuGH vorzulegen. Dieser soll die Frage klären, ob im Hinblick auf die Auslegung der Charta der Grundrechte der EU sowie im Lichte des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen hier eine Altersdiskriminierung anzunehmen ist.