Immer wieder erlebe ich in Seminaren und in meiner anwaltlichen Praxis, dass viele von Ihnen und Ihren Kolleginnen Fragen zur fiktiven Nachzeichnung des beruflichen Werdegangs haben. Tatsächlich ist die rechtliche Situation durchaus verwirrend und auch nicht unumstritten in der Rechtsprechung und Rechtsliteratur. Alles Wichtige, was Sie hierzu wissen müssen, habe ich Ihnen im Folgenden zusammengestellt.
Wessen Laufbahn ist fiktiv nachzuzeichnen?
Zur fiktiven Nachzeichnung des beruflichen Werdegangs der Gleichstellungsbeauftragten finden sich in den Frauengleichstellungsgesetzen des Bundes und der Länder äußerst unterschiedliche Regelungen, teilweise gar keine. Grundsätzlich orientieren sich die Beteiligten in der Praxis häufig noch immer an der fiktiven Nachzeichnung der Laufbahn eines freigestellten Personalratsmitglieds.
Überwiegend wird in der Literatur vertreten, dass eine fiktive Nachzeichnung des beruflichen Werdegangs dann vorzunehmen ist, wenn Sie als Gleichstellungsbeauftragte im Amt nicht mehr beurteilbar sind. Hier wird regelmäßig unterstellt, dass eine Beurteilung dann möglich ist, wenn Sie noch mindestens 25 % Ihrer dienstlichen Aufgaben wahrnehmen.
Anders: fiktive Nachzeichnung des beruflichen Werdegangs nach Bundesrecht
Allerdings sieht § 28 Abs. 3 Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG) vor, dass die Gleichstellungsbeauftragte unabhängig vom Umfang ihrer Entlastung (Freistellung) stets fiktiv in ihrer beruflichen Entwicklung nachzuzeichnen ist. Das heißt für Sie: Als Gleichstellungsbeauftragte in der Bundesverwaltung ist Ihr Werdegang kraft Ihres Amts nachzuzeichnen. Es braucht also keinen Antrag oder gar eine Bewerbung in einem Bewerbungsverfahren von Ihnen. Sie sind vielmehr in alle Auswahlentscheidungen von Amts wegen einzubeziehen.
In der Literatur findet sich auch die Rechtsauffassung, dass die Nachzeichnungspraxis bei den Personalräten nur bedingt auf die fiktive Nachzeichnung des beruflichen Werdegangs der Gleichstellungsbeauftragten anzuwenden ist (vgl. von Roetteken, Kommentierung zum BGleiG, online, § 28 BGleiG, Randnummer 314). Dies ist allerdings in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte umstritten.
Unterscheiden Sie: fiktive Nachzeichnung nach § 28 BGleiG und nach § 33 BLV
Wichtig ist, bei der fiktiven Nachzeichnung Ihres beruflichen Werdegangs nach § 28 BGleiG von der fiktiven Nachzeichnung nach § 33 Bundeslaufbahnverordnung (BLV) zu unterscheiden. Im Rahmen der fiktiven Nachzeichnung gemäß § 33 BLV findet tatsächlich nur eine Nachzeichnung der Beurteilung statt und nicht des gesamten beruflichen Werdegangs.
In der Literatur findet sich folgender Vorschlag: Wenn gemäß § 28 Abs. 3 BGleiG nachgezeichnet wird, soll zunächst immer eine sogenannten Individualprognose erstellt und sodann eine kollektive Perspektive in Bezug auf eine Vergleichsgruppe vorgenommen werden. Die fiktive Nachzeichnung nach § 33 BLV kann einen Teil der Nachzeichnung des beruflichen Werdegangs gemäß § 28 Abs. 3 BGleiG sein und würde im Rahmen der Beurteilung als fiktiver Nachzeichnungstatbestand in diese eingehen.
Wichtig ist hierbei zu beachten, dass nach § 33 BLV tatsächlich nur noch bis zu einer Freistellung von 75 % eine Beurteilung stattfinden kann. Dies unterscheidet sich maßgeblich von der Regelung im BGleiG, die ja die fiktive Nachzeichnung unabhängig vom jeweiligen Entlastungsumfang vorschreibt.
Reine Fortschreibung der dienstlichen Beurteilung reicht nicht aus!
Eine bloße Fortschreibung der dienstlichen Beurteilung gemäß § 33 BLV kann das Nachzeichnungsgebot also nur anteilig erfüllen. Es besteht die Notwendigkeit, weitere Elemente der fiktiven beruflichen Entwicklung zu prognostizieren. Beispielsweise besteht die Möglichkeit, darüber hinaus Qualifikationen, die üblicherweise während der Amtswahrnehmung erworben werden, tatsächlich als erworben zu unterstellen und in die fiktive Nachzeichnung mit einzubeziehen. Dies ist allerdings in der Rechtsprechung durchaus umstritten.
Im Rahmen der individuellen Betrachtung ist insbesondere auf das Niveau der bisher wahrgenommenen Tätigkeiten vor der Freistellung abzustellen sowie die Leistung und Qualifikation festzuhalten. Grundsätzlich passiert dies regelmäßig durch Beurteilungen oder auch beurteilungsähnliche Gutachten. Wenn diese allerdings für die fiktive Nachzeichnung zugrunde gelegt werden sollen, müssen sie zwingend hinreichend aktuell sein und zudem eine Aussage über den Qualifikationsstand und die erworbenen Kompetenzen enthalten (vgl. dazu von Roetteken, Kommentierung zum BGleiG, online, Randnummer 337).
Kollektive Betrachtungsweise: Bildung von Vergleichsgruppen
Wie oben bereits ausgeführt, wird im Rahmen der kollektiven Betrachtungsweise auf eine Vergleichsgruppe abgestellt. Diese ist zunächst einmal für den Zeitpunkt der Freistellung/Entlastung zu bilden. Bei der Bildung der Vergleichsgruppe können verschiedene Aspekte berücksichtigt werden, die Sie der folgenden Übersicht entnehmen können.
In der Praxis hat sich der Grundsatz durchgesetzt, dass auch die Gleichstellungsbeauftragte von Amts wegen zu befördern ist, wenn 50 % der Personen der Vergleichsgruppe befördert worden sind.
Übersicht: Kriterien der Vergleichsgruppe
- Tätigkeit in ähnlicher beruflicher Situation mit ähnlichem Niveau und Qualifikation
- dasselbe statusrechtliche Amt bzw. der gleiche Dienstposten
- dieselbe Entgelt- oder Besoldungsgruppe
- die gleiche Fallgruppe, Funktionsstufe oder Amtsdauer, Zeitpunkt der letzten Beförderung
- gleiche Beurteilung
Unterscheidung: Beamtinnen und Tarifbeschäftigte
Weiter wird in der Praxis zu unterscheiden sein, inwieweit die Gleichstellungsbeauftragte aus der Bundesverwaltung noch be- urteilungsfähig ist. Wie bereits angedeutet wurde, ist eine Gleich- stellungsbeauftragte, die verbeamtet ist, nach § 33 BLV durchaus noch zu beurteilen, wenn sie nicht zu mehr als 75 % freigestellt ist. Für Tarifbeschäftigte dürfte dies nicht der Fall sein, da sie nicht unter die Regelung der BLV fallen.
Rechtliche Situation noch recht unklar
Wie die vorstehenden Ausführungen verdeutlicht haben, ist die rechtliche Situation zur fiktiven Nachzeichnung Ihres beruflichen Werdegangs nach wie vor noch recht unklar. Umstritten ist unter anderem, inwieweit sich diese tatsächlich analog der Nachzeichnung von Personalratsmitgliedern ausgestaltet, so wie es ein Teil der Meinungen annimmt. Zudem ist strittig, ob eine individuelle und kollektive Betrachtungsweise erfolgen muss oder es aus- reicht, die Nachzeichnung nur anhand der Beurteilungen in der Vergleichsgruppe vorzunehmen.
Meine Empfehlung:
Suchen Sie ggf. rechtlichen Beistand auf
Falls Sie der Auffassung sind, dass Ihr Werdegang fehler- haft nachgezeichnet wurde, holen Sie sich anwaltlichen Rat und Unterstützung. Selbst für Jurist*innen ist die Lage nur schwer überschaubar, deshalb sollten Sie diese Problematik keinesfalls allein angehen.
Wenn Sie von Ihrer Dienststellenleitung erfahren möchten, wie Ihre Vergleichsgruppe gebildet wurde, oder wenn noch eine zu bilden ist, können Sie das folgende Muster-Schreiben verwenden.
Als Gleichstellungsbeauftragte in den Ländern müssen Sie dieses Schreiben modifizieren.
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Meine Empfehlung:
Ihre Nachzeichnung sollten Sie stets beobachten
Die Nachzeichnung Ihres beruflichen Werdegangs ist in der Praxis nicht immer ganz durchschaubar. Mein Eindruck ist: Auch wegen der schwer überschaubaren Rechtslage wird diese häufig irgendwie vorgenommen, ohne dass ein durchschaubares Konzept hierzu in den Dienststellen erstellt wird.
Sie sollten daher die Nachzeichnung Ihres beruflichen Wer- degangs stets gut im Auge behalten und dies von Anbeginn Ihrer Amtsübernahme.
Scheuen Sie sich nicht, bei Auswahlentscheidungen ggf. nachzufragen, wie und ob Sie hierbei berücksichtigt worden sind. Wenn Sie feststellen, dass Kolleg*innen karrieremäßig an Ihnen „vorbeiziehen“, sollten Sie aufmerksam werden und handeln.
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Grundsätzlich orientieren sich die Beteiligten in der Praxis häufig noch immer an der fiktiven Nachzeichnung der Laufbahn eines freigestellten Personalratsmitglieds.
Überwiegend wird in der Literatur vertreten, dass eine fiktive Nachzeichnung des beruflichen Werdegangs dann vorzunehmen ist, wenn Sie als Gleichstellungsbeauftragte im Amt nicht mehr beurteilbar sind. Hier wird regelmäßig unterstellt, dass eine Beurteilung dann möglich ist, wenn Sie noch mindestens 25 % Ihrer dienstlichen Aufgaben wahrnehmen.
– Tätigkeit in ähnlicher beruflicher Situation mit ähnlichem Niveau und Qualifikation
– dasselbe statusrechtliche Amt bzw. der gleiche Dienstposten
– dieselbe Entgelt- oder Besoldungsgruppe
– die gleiche Fallgruppe, Funktionsstufe oder Amtsdauer, Zeitpunkt der letzten Beförderung
– gleiche Beurteilung