Haben Qualifikationen ein Geschlecht?

Haben Qualifikationen ein Geschlecht?

Beim Schreiben dieses Beitrags befanden sich SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die FDP noch mitten in den Koalitionsverhandlungen zur Bildung einer neuen Regierung. Wie es Koalitionsverhandlungen nun mal so an sich haben, streiten die Beteiligten über viele Themen. Es lässt sich jedoch als überraschend bezeichnen, dass tatsächlich auch über den progressiven Vorschlag von „Fast“-Bundeskanzler Olaf Scholz gestritten wird, das Bundeskabinett paritätisch zu besetzen. Kaum gelangte die Aussage von Olaf Scholz an die Öffentlichkeit, schallte es schon aus der Ecke der FDP, dass Qualifikation und Fähigkeit über einen Minister*innenposten entscheiden sollten. Als ob der Mangel an gut qualifizierten und fähigen Frauen und nicht das männerbündische Politikestablishment das Problem sei. Wenn jedoch selbst Abgeordnete immer noch versuchen, das paritätische Besetzen von Ämtern mit dem Argument „Qualifikation und Fähigkeit“ zu verhindern, lässt sich erahnen, dass dies auch in Ihren Dienststellen, Institutionen und Unternehmen ein gern gebrachtes Argument sein wird. Höchste Zeit also, sich mit diesem etwas genauer auseinanderzusetzen und vor allem schlagfertige Gegenargumente zu finden.

    Argument: „Verpflichtende Quotenregeln reduzieren Menschen auf äußere Merkmale“

    Ob Ämter in der Politik oder Führungspositionen in Unterneh­ men: Möchte man diese paritätisch besetzen, ist eines der ersten Argumente gegen dieses Vorhaben, man würde Menschen nur auf äußere Merkmale reduzieren. So äußerte sich auch FDP­Vize Wolfgang Kubicki gegenüber der Funke­Mediengruppe: „Starre Quotenregelungen sind kontraproduktiv, weil sie Menschen auf äußere Merkmale reduzieren“ (https://bit.ly/3CpyEto).

    Gegenargument: Das ist bereits der Fall …

    … allerdings kommt dies Frauen nicht gerade zugute. Wie eine Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aus dem Jahr 2010 zeigt, steck(t)en in den Köpfen der Männer „vielfältige und miteinander verschränkte Vorbehalte gegen Frauen in Führungspositionen“. Weiter heißt es: „dass Männer (z. T.) unbewusst als, Hüter der gläsernen Decke‘ agie­ren“ (Wippermann, ((Titel)), 2010: Seite 9; https://bit.ly/3ci4dL8). Der Befund stammt aus dem Jahr 2010. Schaut man jedoch auf aktuelle Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt­ und Berufsfor­ schung aus dem Jahr 2019, zeigt sich, dass sich in den Köpfen der Männer nur wenig geändert hat.

    Trotz gleichstellungsrechtlicher Regelungen setzen spürbare Änderungen nur langsam ein

    „Im öffentlichen Sektor sind Frauen in Führungspositionen nicht besser vertreten als in der Privatwirtschaft, trotz umfassender gleichstellungsrechtlicher Regelungen.“ So betrug 2018 der Frauenanteil auf der ersten Führungsebene 36 % und auf der 2. Führungsebene 43 % (https://bit.ly/30wheho).

    Die Ablehnung einer vorgeschriebenen paritätischen Verteilung von Führungspositionen, begründet mit dem Argument, man dürfe Menschen nicht auf äußere Merkmale reduzieren, unter­ stützt nur die männerdominierten Führungsetagen in Dienststel­ len, Institutionen und Unternehmen.

    Argument: „Qualifikation und Fähigkeiten müssen entscheiden“

    Im Zuge der eingangs beschriebener Diskussion um die Parität des Regierungskabinetts meldete sich auch Marie­Agnes Strack­ Zimmermann (FDP­Vorstandsmitglied) zu Wort: „Aber zuallererst muss die fachliche Kompetenz eine Rolle spielen, denn die Zuge­ hörigkeit zu einem Geschlecht“ (https://bit.ly/3CpyEto).

    Schaut man sich die Verteilung der Ministerposten aus der ver­ gangenen Regierung an (6 Frauen, 9 Männer) sowie den Frauen­ anteil in den Führungsebenen an (siehe Spalte links) und glaubt man dem Argument, dass nur Qualifikation und Fähigkeit bei der Vergabe von Führungspositionen eine Rolle spielen, stellt sich doch unweigerlich die Frage: Gibt es einfach nur zu wenige qua­ lifizierte und fähige Frauen?

    Gegenargument: Nein, denn Qualifikation hat ein Geschlecht …

    … und das ist männlich. Laut dem Bundeswirtschaftsministe­ rium ist mehr als die Hälfte der Menschen mit Abitur und einem erfolgreich abgeschlossenen Studium weiblich. Darüber hinaus sind 45 % der Promovierenden Frauen (https://bit.ly/30vA2xt). Es ist also ein Trugschluss zu behaupten, mit einer verpflichtenden paritätischen Besetzung von Führungspositionen würden Fähig­ keit und Qualifikation keine Rolle spielen.

    Fazit: Beharren Sie auf einer paritätischen Besetzung von Führungspositionen

    Und auch der*die Bundesgesetzgeber*in scheint an der Notwendigkeit und Möglichkeit, gleiche Parität in allen Führungsebenen herzustellen, keine Zweifel zu haben. Sonst hätte er*sie kaum neu im August 2021 angeordnet, dass Frauen bis 31.12.2025 in allen Führungsebenen paritätisch vertreten sein müssen.

    FAQ-Bereich

    Für wen ist „Gleichstellung im Blick“?

    „Gleichstellung im Blick“ richtet sich speziell an Frauen-, Gleichstellungs- und Chancengleichheitsbeauftragte im öffentlichen Dienst und der freien Wirtschaft in ganz Deutschland.

    Kann ich „Gleichstellung im Blick“ probelesen?

    Ja. Wir bieten allen interessierten Frauen-, Gleichstellungs- und Chancengleichheitsbeauftragten die Möglichkeit eine Ausgabe 14 Tage lang kostenfrei zu lesen. Sie entscheiden erst dann, ob Sie einen kostenpflichtigen Bezug möchten oder nicht.

    Was bietet mir „Gleichstellung im Blick“?

    „Gleichstellung im Blick“ bietet allen Frauen-, Gleichstellungs- und Chancengleichheitsbeauftragten relevante, aktuelle und rechtssichere Informationen zur Herstellung von Chancengleichheit in der Arbeitswelt. Neben der gedruckten Ausgabe haben Leser*innen die Möglichkeit eine telefonische Sprechstunde für individuelle Fragen in Anspruch zu nehmen. Ebenso laden wir mindestens 1mal pro Jahr zu einem Netzwerktreffen zum Austauschen und Netzwerken ein. Ein Zugang zu einem Onlinebereich, in dem Sie Muster-Initiativanträge, Checklisten, Übersichten und Muster-Schreiben herunterladen können, rundet das Angebot ab.

    Ist von den bisherigen gleichstellungsrechtlichen Regelungen etwas zu merken?

    Trotz gleichstellungsrechtlicher Regelungen setzen spürbare Änderungen nur langsam ein
    „Im öffentlichen Sektor sind Frauen in Führungspositionen nicht besser vertreten als in der Privatwirtschaft, trotz umfassender gleichstellungsrechtlicher Regelungen.“ So betrug 2018 der Frauenanteil auf der ersten Führungsebene 36 % und auf der 2. Führungsebene 43 %.
    Die Ablehnung einer vorgeschriebenen paritätischen Verteilung von Führungspositionen, begründet mit dem Argument, man dürfe Menschen nicht auf äußere Merkmale reduzieren, unter­ stützt nur die männerdominierten Führungsetagen in Dienststel­ len, Institutionen und Unternehmen.

    Was können und sollten Sie tun?

    Beharren Sie auf einer paritätischen Besetzung von Führungspositionen!
    Und auch der*die Bundesgesetzgeber*in scheint an der Notwendigkeit und Möglichkeit, gleiche Parität in allen Führungsebenen herzustellen, keine Zweifel zu haben. Sonst hätte er*sie kaum neu im August 2021 angeordnet, dass Frauen bis 31.12.2025 in allen Führungsebenen paritätisch vertreten sein müssen.