Heide Simonis
4. Juli 1943: | Geburt in Bonn |
1962: | Abitur in Nürnberg |
1967: | Examen in Volkswirtschaft an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel Hochzeit mit dem Volkswirt Udo Ernst Simonis |
1967 bis 1969: | Aufenthalt in Lusaka, Sambia Arbeit als Deutschlehrerin, Beteiligung an Entwicklungsprojekten der Kirche |
1969: | Sekretärin am Institut für Finanzen in Kiel |
1970 bis 1972: | Aufenthalt in Tokio Arbeit als Lektorin für Deutsch am Goethe-Institut und als Marketing Researcher für Triumph International |
ab 1972: | Berufsberaterin für Abiturient*innen und Hochschüler*innen bei der Bundesanstalt für Arbeit in Kiel |
1972 bis 1976: | Mitglied im Kreisvorstand der SPD in Kiel Mitglied der Kieler Ratsversammlung |
1976 bis 1988: | Mitglied des Deutschen Bundestags |
1988 bis 1991: | Mitglied im SPD-Parteivorstand |
1988 bis 1993: | Finanzministerin von Schleswig-Holstein |
1990 bis 1993: | Vorsitzende der „Tarifgemeinschaft deutscher Länder“ |
1992 bis 2005: | Mitglied des Landtags Schleswig-Holstein |
1993 bis 2005: | Mitglied im SPD-Parteivorstand Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein |
1993: | Medien- und Fernsehpreis „Bambi“ |
1994: | „Goldenes Schlitzohr“ des Internationalen Clubs der Schlitzohren |
1998: | „Orden wider den tierischen Ernst“ des Aachener Karnevalvereins |
2005 bis 2008: | Mitglied des Vorstands des Deutschen Komitees für UNICEF Ehrenamtliche Vorsitzende von UNICEF Deutschland |
2011 bis 2015: | Präsidentin des Schleswig-Holsteinischen Sängerbundes |
2013: | „Schleswig-Holsteinischer Meilenstein“ des Verbandes Deutscher Sinti und Roma |
2014: | Ehrenbürgerin Schleswig-Holsteins |
2018: | Ehrenmitglied der „Stiftung RTL – Wir helfen Kindern“ „Willy-Brandt-Medaille“ der SPD |
12. Juli 2023: | Tod in Kiel |
„Plötzlich war ich Ministerpräsidentin“, blickte Heide Simonis auf ihrer Internetseite auf den 4. Mai 1993 zurück. Als erste Frau wurde sie damals in dieses Amt gewählt und führte die politischen Geschicke des Landes Schleswig-Holstein bis 2005. Doch nicht nur als Politikerin machte sich die Kielerin einen Namen, sie engagierte sich jahrzehntelang auch in der Kinderhilfe.
Ständige Ortswechsel in der Kindheit
Geboren wurde Heide Simonis am 4. Juli 1943 in Bonn. Sie war die älteste der drei Töchter von Horst und Sophia Steinhardt. Ihr Vater war Verwaltungsdirektor bei der damaligen Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung, ihre Mutter arbeitete kurzzeitig als zweite Sekretärin des seinerzeit amtierenden Bundeskanzlers Konrad Adenauer.
Ihre Kindheit war von ständigen Ortswechseln geprägt. Denn da sie unter schwerem Asthma litt, verbrachte Heide Simonis als Kleinkind längere Zeiträume in verschiedenen Kinderheimen. Aufgrund von beruflichen Versetzungen des Vaters zog die Familie zudem zunächst nach Hamburg und dann nach Nürnberg. Ihr Abitur machte Heide Simonis schließlich 1962 an einem evangelischen Mädchengymnasium in Nürnberg. An diesem hatte sie sich während ihrer Schulzeit als Klassensprecherin und Schulsprecherin engagiert.
Studium der Volkswirtschaft in Nürnberg und Kiel
Gerne hätte Heide Simonis nach ihrem Abitur in München Physik studiert. Dagegen äußerte ihre Mutter starke Bedenken, weshalb Simonis bei ihren Eltern in Nürnberg blieb und an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Volkswirtschaftslehre studierte.
Da ihr Vater eine Stelle als Direktor des Arbeitsamtes Kiel antrat, zog Heide Simonis abermals mit ihrer Familie um und setzte ihr Studium an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel fort. Ihr Examen legte sie dort 1967 ab.
Hochzeit und Umzug nach Sambia
Während ihres Studiums in Kiel hatte sie Udo Ernst Simonis kennengelernt, beide heirateten 1967. „Ich war es, die Udo den Heiratsantrag machte, einer musste ja die Sache in die Hand nehmen“, erzählte Heide Simonis später. „Er hat kurz trocken geschluckt und dann Ja gesagt. Dieser Hochzeitstag! Ich glaube bestimmt, dass mein Mann sich heimlich wünschte, er hätte sich vorher den Fuß gebrochen. Ich sehe uns noch heute vor mir: Er sitzt da, blass, klein, im dunklen Anzug, und ich daneben mit einer Pillbox wie Jackie Kennedy und einem rosa-lila Ding von Kleid.“
Schon kurz nach der Hochzeit zog das Paar nach Lusaka, Sambia, weil Udo Simonis dort eine Stelle als persönlicher Berater des Präsidenten Kenneth Kaunda erhalten hatte. Heide Simonis gab Deutschunterricht an der Universität Lusaka, arbeitete bei Zambian Airways und engagierte sich in Entwicklungsprojekten der Kirche.
Kiel – Tokio – Kiel
1969 kehrte das Ehepaar Simonis nach Kiel zurück. Heide Simonis trat in die SPD ein und arbeitete als Sekretärin am Institut für Finanzen in Kiel, allerdings nur kurzzeitig. Denn ihr Mann erhielt 1970 ein Stipendium der Japanischen Gesellschaft für Förderung der Wissenschaften und aufgrund dessen eine Anstellung am Institut für Entwicklungsländerforschung und an der Universität Tokio. Heide Simonis begleitete ihren Mann nach Japan und arbeitete in Tokio als Lektorin am Goethe-Institut sowie als Marketing Researcher für den Unterwäsche-Hersteller Triumph International.
Zwei Jahre später verließ das Paar Japan und lebte fortan in Kiel. Heide Simonis fand 1972 eine Anstellung als Berufsberaterin für Abiturient*innen und Hochschüler*innen bei der Bundesanstalt für Arbeit am Arbeitsamt Kiel und wurde im selben Jahr Mitglied des Kieler SPD-Kreisvorstandes. Diesem gehörte bis 1976 und erneut von 1988 bis 1991 sowie von 1993 bis 2005 an.
Jüngstes Mitglied des Deutschen Bundestags
Ebenfalls 1972 zog Heide Simonis in die Kieler Ratsversammlung ein. 1976 kandidierte sie als Direktkandidatin im Wahlkreis Rendsburg-Eckernförde für die Wahl des Deutschen Bundestags und gewann das Mandat. Sie war mit 33 Jahren das damals jüngste Mitglied des Bundestags; in der SPD-Bundestagsfraktion wurde sie finanzpolitische Sprecherin.
1988 schied Heide Simonis aus dem Bundestag aus und wurde vom damaligen Ministerpräsidenten des Landes Schleswig-Holstein, Björn Engholm, in das Amt der Finanzministerin berufen.
Knallharte Verhandlerin und erste Ministerpräsidentin
Von 1990 bis 1993 war sie Vorsitzende der „Tarifgemeinschaft deutscher Länder“ und trat als knallharte Verhandlerin auf: Bei den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst im Jahr 1992 drückte sie die Forderung der Gewerkschaft um eine Erhöhung der Löhne von 9,5 Prozent auf 5,4 Prozent – getreu ihrem Wahlspruch: „Ich sitze wie eine Glucke auf fremdem Geld.“ Führende Sozialdemokraten, darunter auch der damalige niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder, hatten sie zuvor aufgefordert, nachgiebiger zu sein.
Im März 1993 wurde sie Engholms Stellvertreterin, im Mai 1993 sogar seine Nachfolgerin: Am 19. Mai 1993 wurde Heide Simonis zur Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein gewählt und war damit die erste Frau in diesem Amt – und bis zur Wahl von Christine Lieberknecht 2009 in Thüringen auch die einzige.
Beiname „Pattex-Heide“
Bis 1996 hielt die SPD die absolute Mehrheit in Schleswig-Holstein, ab der Landtagswahl in diesem Jahr bildete sie mit B90/Die Grünen eine Koalition. Diese wurde 2000 bestätigt. Erst 2005 verloren SPD und Grüne bei der Landtagswahl ihre Mehrheit, die CDU bildete die stärkste Fraktion und kam gemeinsam mit der FDP auf 34 Mandate; SPD und Grüne stellten nur 33 Abgeordnete.
Eine Große Koalition mit der CDU schloss Heide Simonis allerdings aus. „Und wo bleibe ich!?“, rief sie in der Talkshow „Beckmann“ aus. Diese Aussage brachte ihr den Beinamen „Pattex-Heide“ ein, weil sie so sehr am Amt der Ministerpräsidentin klebte.
Zwölfjährige Amtszeit endet in einem Wahlkrimi
Die Abgeordneten des Südschleswigschen Wählerbundes sicherten SPD und Grünen schließlich ihre Tolerierung und Heide Simonis somit ihre Stimmen bei der Wahl zur Ministerpräsidentin zu. Probeabstimmungen fielen zugunsten von Heide Simonis aus.
Jedoch wurde die konstituierende Sitzung des Landtags am 17. März 2005 zum Wahlkrimi: Weder Heide Simonis noch ihr Kontrahent Peter Harry Carstensen von der CDU konnte sich in vier Wahlgängen die erforderliche Mehrheit sichern: Mindestens eine Stimme aus der Koalition von SPD und Grünen oder des Südschleswigschen Wählerbundes fehlte in jedem Wahlgang. Heide Simonis zog ihre Kandidatur schließlich zurück, Peter Harry Carstensen wurde im fünften Wahlgang zum neuen Ministerpräsidenten gewählt.
„Heide-Mörder“ bis heute nicht bekannt
Die Abstimmung machte als „Heide-Mörder-Debatte“ Schlagzeilen. Wer Heide Simonis die Stimme verweigerte und der/die „Heide-Mörder*in“ ist, ist bis heute nicht bekannt. Der 17. März 2005 bedeutete für Heide Simonis jedenfalls das politische Ende.
„Die ersten drei Monate waren schrecklich. Da wäre mir, wenn ich darüber nachgedacht hätte, nur Schlimmstes eingefallen“, sagte Heide Simonis rückblickend über das Debakel. „Wenn ich mir im Fernsehen die Bilder davon angucke und sehe mein fassungsloses Gesicht, dann bleibe ich bei der Aussage: Das war schon ziemlich hinterhältig.“
Soziales Engagement für UNICEF
Nach dem Ende ihrer politischen Karriere widmete sich Heide Simonis verstärkt dem sozialen Engagement. Bereits zuvor hatte sie sich vor allem in Kinderhilfe-Projekten engagiert: 1995 unterstütze sie eine UNICEF-Aktion während der Jugoslawienkriege, 2001 engagierte sie sich für die Kampagne „Bringt die Kinder durch den Winter“, um Kinder in Afghanistan mit dem Nötigsten zu versorgen. 2002 reiste sie nach dem Sturz der Taliban nach Kabul und besuchte UNICEF-Projekte in Schulen und Krankenhäusern.
Im Mai 2005 wurde Heide Simonis in den Vorstand des Deutschen Komitees für UNICEF und im Oktober 2005 zur ehrenamtlichen Vorsitzenden von UNICEF Deutschland gewählt. In dieser Funktion nahm sie an der RTL-Tanzshow „Let’s Dance“ teil und wollte nach eigenen Aussagen mehr Aufmerksamkeit für UNICEF generieren. Die „BILD-Zeitung“ startete allerdings eine wahre Hetzkampagne gegen die ehemalige Ministerpräsidentin und diffamierte sie als „Hoppel-Heide“. Nach einigen Folgen schied Heide Simonis aus gesundheitlichen Gründen aus und spendete ihre Gage UNICEF.
Spendenskandal zwingt Heide Simonis zum Rücktritt
2008 trat Heide Simonis infolge eines Spendenskandals um das Kinderhilfswerk als Vorsitzende zurück. Sie widmete sich verstärkt einer anderen Leidenschaft, dem Singen, und wurde 2011 Präsidentin des Schleswig-Holsteinischen Sängerbundes.
2014 machte Heide Simonis ihre Parkinson-Erkrankung öffentlich. 2015 legte sie ihr Amt als Präsidentin des Schleswig-Holsteinischen Sängerbundes nieder und zog sich schließlich aus der Öffentlichkeit zurück. Am 12. Juli 2023 – nur wenige Tage nach ihrem 80. Geburtstag – starb Heide Simonis in Kiel.
Zahlreiche Auszeichnungen für ihr Engagement
Für ihr politisches und soziales Engagement wurde Heide Simonis vielfach ausgezeichnet: 1993 erhielt sie als neue Ministerpräsidentin den Medien- und Fernsehpreis „Bambi“ und 1994 das „Goldene Schlitzohr“ des Internationalen Clubs der Schlitzohren, der bedürftigen Kindern weltweit hilft. 1998 verlieh ihr der Aachener Karnevalsverein den „Orden wider den tierischen Ernst“, vom Verband Deutscher Sinti und Roma erhielt sie 2013 den „Schleswig-Holsteinisches Meilenstein.“
2014 wurde Heide Simonis zur Ehrenbürgerin des Landes Schleswig-Holstein ernannt, 2018 zum Ehrenmitglied der „Stiftung RTL – Wer helfen Kindern“. Ebenfalls 2018 verlieh ihr die SPD die „Willy-Brandt-Medaille“.
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