Immer wieder kommt in der Praxis die Frage auf, ob Sie als Gleichstellungsbeauftragte eigentlich auch dann zu beteiligen sind, wenn Sie in das Verfahren persönlich involviert sind. Über einen solchen Fall hatte kürzlich das Bundesverwaltungsgericht zu entscheiden (BVerwG, Entscheidung vom 18. Juli 2024, Az. 5 C 14.22).
Das ist passiert: Gleichstellungsbeauftragte hatte eine Bewerbung eingereicht
In dem Fall ging es um die Gleichstellungsbeauftragte eines Jobcenters, die sich auf eine Stelle in ebendiesem Center beworben hatte. In das Auswahlverfahren bezog der Dienststellenleiter die stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte ein und nicht die Gleichstellungsbeauftragte selbst.
Gleichstellungsbeauftragte wollte selbst beteiligt werden
Das wollte die Gleichstellungsbeauftragte nicht hinnehmen und erhob Klage beim Verwaltungsgericht Berlin (Urteil vom 30. März 2022, Az. 5 K 81/21). Sie verlor in erster Instanz und ging in die Berufung zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 10. November 2022, Az. 4 B 24/22).
Auch hier gewann sie nicht. So landete das Verfahren nach der gegen die Entscheidung erhobenen Revision beim Bundesverwaltungsgericht.
So entschieden die Richter*innen: Ausschluss der Gleichstellungsbeauftragten ist gerechtfertigt
Auch vor dem Bundesverwaltungsgericht hatte die Klage der Gleichstellungsbeauftragten keinen Erfolg. Die Richter*innen begründeten ihre Entscheidung damit, dass ein Ausschluss aus dem Beteiligungsverfahren bereits dann anzunehmen sei, wenn sich die Gleichstellungsbeauftragte mit der Angelegenheit befasst hat und die Möglichkeit der Beeinflussung der Entscheidung der Verwaltung oder auch nur des Verfahrensablaufs gegeben sein könnte. Ob hierbei für die Gleichungsbeauftragte ein persönlicher Vorteil als Folge ihrer Beteiligung eintreten könne, sei unerheblich für die Entscheidung.
Ausschluss, auch wenn dies nicht ausdrücklich im Bundesgleichstellungsgesetz geregelt ist
Die Richter*innen führten weiter aus, dass das Bundesgleichstellungsgesetz keine ausdrückliche Regelung enthalte, dass die Gleichstellungsbeauftragte bei Betroffenheit in eigener Sache auszuschließen sei und ihre Rechte nicht wahrnehmen dürfe.
Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes hier nicht anwendbar
Auch die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes über einen Mitwirkungsausschluss und eine etwaige Besorgnis der Befangenheit (§ 20 und 21 Verwaltungsverfahrensgesetz) seien auf die Tätigkeit einer Gleichstellungsbeauftragten nicht anwendbar, und zwar weder unmittelbar noch analog.
Allgemeiner verfassungsrechtlicher Grundsatz kommt zur Rechtsanwendung
Nach Ansicht der Richter*innen entspräche es aber einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, der auch für die staatliche Verwaltung gelte, dass Amtsinhaber*innen bei Angelegenheiten nicht zu beteiligen seien, deren Gegenstand sie unmittelbar beträfe.
Verfassungsrechtlicher Grundsatz findet auch ohne einzelgesetzliche Regelung Anwendung
Ein solcher Rechtsgrundsatz sei verfassungsrechtlich verankert und könne durch einfache Gesetze konkretisiert werden. Er gelte aber auch ohne eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, wie beispielsweise das Bundesgleichstellungsgesetz.
Die Richter*innen erklärten, dass sich aus diesem Rechtsgrundsatz ein Interesse der Allgemeinheit an einem sachdienlichen Gesetzesvollzug und einem Schutz vor willkürlicher staatlicher Gewalt ergebe. Dies gelte sowohl nach außen wie nach innen bei einem Verwaltungshandeln.
Bundesgleichstellungsgesetz steht dieser Auslegung nicht entgegen
Die Richter*innen betonten, dass die Regelungen des Bundesgleichstellungsgesetz dieser Auslegung nicht entgegenstünden.
Sie führten aus, dass eine Gleichstellungsbeauftragte ihre gesetzlichen Aufgaben, wie den Schutz der Beschäftigten vor etwaigen Benachteiligungen wegen des Geschlechts, vielmehr dienstlich „als besonderes Organ der Verwaltung und damit als Amtswalterin objektiv und neutral wahrzunehmen“ habe.
Mit dieser Objektivität und Neutralität sei der Wunsch der Beauftragten nach Beteiligung in eigener Sache unvereinbar. Es reiche, wenn durch eine selbst betroffene Gleichstellungsbeauftragte auch nur der Anschein erweckt werden könnte, ihre persönlichen Belange könnten Einfluss auf ihre Tätigkeit nehmen.
Rechtlicher Ausschluss ist ein Verhinderungsgrund: Stellvertreterin darf tätig werden
Die Richter*innen stellten weiterhin klar, dass ein rechtlich begründeter Ausschluss der Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten wegen der Selbstbetroffenheit einen rechtlichen Verhinderungsgrund im Sinne des Bundesgleichstellungsgesetzes darstelle. Die Stellvertreterin sei daher rechtmäßig in das Auswahlverfahren einbezogen worden.
Das bedeutet diese Entscheidung für Sie in der Praxis
In der Konsequenz stellt das Bundesverwaltungsgericht hiermit klar, dass Sie nicht beteiligt werden dürfen, wenn Sie selbst in ein Verfahren involviert sind oder ein Verfahren Ihnen persönliche Vorteile verschaffen könnte. Die Selbstbetroffenheit stellt einen rechtlichen Ausschlussgrund von der Beteiligung dar, der sich aus unserer Verfassung ergibt. In einem solchen Fall wird also Ihre Stellvertreterin an Ihrer Stelle in das Verfahren einbezogen, tritt in Ihre Rechte ein und agiert wie Sie als Gleichstellungsbeauftragte .
Fazit: Sie sind bei eigener Betroffenheit nicht zu beteiligen
Deutlich geworden ist, dass Sie nicht zu beteiligen sind, wenn Sie selbst in ein Verfahren involviert sind und persönliche Interessen verfolgen könnten. Vielmehr ist dann Ihre Stellvertreterin hinzuzuziehen und diese nimmt an Ihrer Stelle die Beteiligung wahr.
Ich halte die Entscheidung für sachgerecht, auch wenn sich dies so nicht explizit aus dem Bundesgleichstellungsgesetz oder den anderen Gleichstellungsgesetzen ergibt. Schon weil sie verhindert, dass Sie dem Vorwurf einer Befangenheit oder gar der Vorteilsnahme aus dem Amt ausgesetzt werden, erscheint mir die Entscheidung richtig und klug.
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Gleichstellungsbeauftragte hatte eine Bewerbung eingereicht
In dem Fall ging es um die Gleichstellungsbeauftragte eines Jobcenters, die sich auf eine Stelle in ebendiesem Center beworben hatte. In das Auswahlverfahren bezog der Dienststellenleiter die stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte ein und nicht die Gleichstellungsbeauftragte selbst.
Ausschluss der Gleichstellungsbeauftragten ist gerechtfertigt
Auch vor dem Bundesverwaltungsgericht hatte die Klage der Gleichstellungsbeauftragten keinen Erfolg. Die Richter*innen begründeten ihre Entscheidung damit, dass ein Ausschluss aus dem Beteiligungsverfahren bereits dann anzunehmen sei, wenn sich die Gleichstellungsbeauftragte mit der Angelegenheit befasst hat und die Möglichkeit der Beeinflussung der Entscheidung der Verwaltung oder auch nur des Verfahrensablaufs gegeben sein könnte.