„Ich bin eine Perfektionistin.“ Dieser Satz ist nicht nur ein klassisches Laster, das Bewerber*innen erstaunlich gerne als Schwäche in einem Bewerbungsgespräch angeben, sondern betrifft auch viele Arbeitnehmer*innen sowohl beruflich als auch privat. Sicher kennen Sie dieses Phänomen auch in Ihrer Gleichstellungsarbeit – ob es nun Sie selbst oder Beschäftigte betrifft. Warum Perfektionismus schädlich und gesundheitsschädigend sein kann, habe ich Ihnen hier zusammengestellt.
Was ist Perfektionismus?
Als Perfektionist*innen werden Menschen bezeichnet, die eine sehr hohe Anspruchshaltung an sich selbst oder ihre Umwelt haben (Spitzer, Perfektionismus überwinden, 2017). Es geht im Kern um das Streben nach dem Maximalen, nach Exzellenz. Imperfektion und Fehler können Perfektionist*innen oft nur schwer aushalten.
Facetten des Perfektionismus
Der Perfektionismus ist ein vielseitiges Phänomen – daher hat sich bisher keine feste Definition herausgebildet. Seit den 1990er-Jahren geht die Wissenschaft jedoch davon aus, dass Perfektionismus verschiedene Facetten haben kann. Einen Erklärungsversuch bieten etwa die Forscher*innen Hewitt & Flett und andere (The Multidimensional Perfectionism Scale: Reliability, Validity, and Psychometric Properties in Psychiatric Samples, 1991), die den Perfektionismus nach dem 3-Stufen-Modell einteilen.
Sie unterscheiden den
– selbstorientierten Perfektionismus,
– den sozial vorgeschriebenen Perfektionismus und
– den fremdorientierten Perfektionismus.
Beim selbstorientierten Perfektionismus haben die Betroffenen unrealistisch hohe Erwartungen an ihr eigenes Selbstbild. Beim sozial vorgeschriebenen Perfektionismus existiert die Vorstellung, dass andere Menschen hohe Erwartungen an das eigene Handeln haben. Beim fremdorientierten Perfektionismus bestehen überzogene Erwartungen an das Handeln anderer (Hewitt & Flett, 1991).
„Positiver“ versus „negativer“ Perfektionismus
Das Streben nach einem perfekten Ergebnis muss nicht zwangsläufig negativ sein, so die Wissenschaft, die zwischen einem „positiven“ Streben nach Perfektion und einem „negativen“ oder klinischen Perfektionismus unterscheidet (Spritzer, 2017).
Wann die Grenze zu einem „negativen“ Perfektionismus überschritten ist, wird unterschiedlich beantwortet. Nach Nils Spritzer (2017) lassen sich negative Tendenzen erkennen, wenn Betroffene trotz drohender Konsequenzen kopflos ihren hohen Ansprüchen hinterherjagen und bei einem Scheitern an den eigenen hohen Ansprüchen den eigenen Selbstwert komplett infrage stellen.
Strategien des Perfektionismus
Nach Nils Spritzer (2017) kann sich die perfektionistische Haltung unterschiedlich äußern, z. B. in Form der folgenden Phänomene:
- Entscheidungsschwierigkeiten
- Überanstrengung, um die Aufgaben „perfekt“ zu erledigen
- Aufschieben von Aufgaben („prokrastinieren“) aus Angst, an dem Vorhaben zu scheitern oder Fehler zu begehen
Diese Verhaltensweisen können dazu führen, dass Betroffene bei der Erledigung ihrer Aufgaben unter großem Druck stehen und ihr Stresslevel sehr hoch ist.
So gehen Sie mit perfektionistischen Tendenzen um
Verstehen Sie sich selbst als Perfektionistin? Falls Sie diese Frage mit Ja beantworten, kennen Sie sicher die Schwierigkeit, Ihrem Bestreben innerhalb von knappen Zeitfenstern nachzugehen, Entscheidungen zu treffen oder sogar Hemmnisse, Ihre Aufgaben anzugehen. Der Wunsch nach Vollkommenheit und die Angst vor Fehlern können Ihnen schlichtweg die Zeit stehlen. Machen Sie sich klar, dass Sie von nicht Amt nur mit und innerhalb der knappen Ressourcen nachgehen können, die Ihnen zur Verfügung stehen.
Meine Empfehlung:
Etablieren Sie Ihre eigene Fehlerkultur!
Sie sollten bedenken: Fehler haben oft einen schlechteren Ruf als ihnen zusteht. Schließlich bieten sie Ihnen die Chance, hinzuzulernen und sich zu entwickeln. Der erfolgreiche Umgang mit ihnen kann somit zu Ihrem persönlichen Wachstum beitragen. Denn: Wenn Sie einen Fehler einmal machen und ihn als solchen anerkennen, werden Sie ihn sicherlich nicht wiederholen. Damit haben Sie ein Stück dazugelernt. Gehen Sie daher gelassen mit Fehlern um, schließlich ist „nobody perfect“!
Fazit: Optimum statt Maximum
Eine Möglichkeit, Ihrer gewissenhaften Natur nachzukommen, ohne sich unter unnötigen Stress zu setzen, kann das Streben nach dem Optimum sein.
Nach Nils Spritzer (2017) ist das Optimum das beste Ergebnis, das in Abwägung zwischen den gegebenen Ressourcen wie z. B. Zeit und Personal und den ehrgeizigen Zielen erreicht werden kann. So erreichen Sie bestmögliche Ziele und nehmen gleichzeitig Rücksicht auf Ihre emotionale, physische und letztlich gesundheitliche Verfassung.
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Als Perfektionist*innen werden Menschen bezeichnet, die eine sehr hohe Anspruchshaltung an sich selbst oder ihre Umwelt haben (Spitzer, Perfektionismus überwinden, 2017). Es geht im Kern um das Streben nach dem Maximalen, nach Exzellenz. Imperfektion und Fehler können Perfektionist*innen oft nur schwer aushalten.
Perfektionismus hat unterschiedliche Facetten, diese unterscheiden sich zwischen
– selbstorientiertem Perfektionismus,
– dem sozial vorgeschriebenen Perfektionismus und
– dem fremdorientierten Perfektionismus.