Marlies Hesse
Marlies Hesse – Wegbereiterin für die Gleichstellung in der Medienbranche
3.10.1935:Geboren in Peine
1957:Abschluss der Lehre zur Buchhändlerin
1958–1961:Studium zur Diplom-Bibliothekarin
1961–1965:Leiterin der Bibliothek des Hans-Bredow-Institutes
der Universität Hamburg
1965:Wechsel zum Deutschlandfunk
1965–1968:Stellvertreterin des Pressechefs
1968–1969:Kommissarische Pressechefin
1969–1974: Stellvertreterin des Pressechefs
1974–1979:Persönliche Referentin des Intendanten
1977–2002:Vorsitzende der Auswahlkommission für die Vergabe
von Stipendien für Journalist*innen in Europa
ab 1979:Leiterin des Referats Aus- und Weiterbildung
1988:Eintritt in den Journalistinnenbund
1988–2000:Mitherausgeberin bei der „Initiative Frauen-Presse-Agentur“
1994:Pensionierung
1994–2010:Geschäftsführerin des Journalistinnenbundes
1995–2020:Koordinierung des „Global Media Monitoring Project“
2002:Stiftung des Nachwuchspreises „Andere Worte – neue Töne“
2003:Erhalt der Hedwig-Dohm-Urkunde des Journalistinnenbundes
Erhalt des Bundesverdienstkreuzes am Bande
2013:Umbenennung des von ihr gestifteten Nachwuchspreises
in „Marlies-Hesse-Nachwuchspreis“
19.2.2024:Gestorben in Köln

Beim Deutschlandfunk war sie meist die einzige Frau unter vielen Männern. Bis sie dies jedoch als Missstand wahrnahm, vergingen viele Jahre. Marlies Hesse selbst betonte stets, dass sie von Männern nicht diskriminiert, sondern beruflich gefördert worden sei. Dennoch erkannte sie mit der Zeit, dass die Medienbranche unter strukturellem Sexismus leidet, der viele Frauen am Aufstieg hindert. Dagegen setzte sich Marlies Hesse ein.

„Relativ sorglose“ Kindheit und Jugend

Marlies Hesse wurde am 3. Oktober 1935 im niedersächsischen Peine geboren. Kurz nach ihrer Einschulung musste ihr Vater in den Zweiten Weltkrieg ziehen. Gemeinsam mit ihrer Mutter brachte die kleine Marlies ihren Vater noch zum Zug. Wiedergesehen hat sie ihn nicht mehr, ihr Vater fiel in der Schlacht von Stalingrad im Winter 1942/1943. Die Familie erfuhr dies jedoch erst zehn Jahre später.

Ihre Mutter zog mit ihr zu den Großeltern in die Lüneburger. Marlies Hesse verbachte dort ihre Kindheit und Jugend und erlebte eine „relativ sorglose“ Zeit, wie sie rückblickend erzählte.

Ausbildung zur Buchhändlerin, Studium zur Bibliothekarin

Schon als Kind las Marlies Hesse gerne und viel, sodass sie nach ihrem Schulabschluss eine Lehre als Buchhändlerin in der nahe gelegenen Stadt Uelzen begann. Diese schloss sie 1957 ab und studierte anschließend Bibliothekswissenschaften. 1961 erhielt sie ihr Diplom und wurde Leiterin der Bibliothek des Hans-Bredow-Instituts der Universität Hamburg. Parallel arbeitete sie als Redaktionsassistentin an der Zeitschrift „Rundfunk und Fernsehen“ mit, die vom Hans-Bredow-Institut herausgegeben wurde.

1965 warb der Pressechef des drei Jahre zuvor in Köln gegründeten Deutschlandfunks, Kurt Wagenführ, um sie. Marlies Hesse wechselte zu dem jungen Hörfunksender, arbeitete dort als Redakteurin und wurde Wagenführs Stellvertreterin. 

Erste Frau in der Intendanz des Deutschlandfunks

Als Kurt Wagenführ drei Jahre später in Pension ging, hätte er gerne Marlies Hesse als seine Nachfolgerin gesehen. Doch diese traute sich die Aufgabe nicht zu und übernahm den Posten nur vorrübergehend und kommissarisch. Rückblickend bereute sie ihre Entscheidung und erzählte nach ihrer eigenen Pensionierung, dass sie „doch die bessere Wahl“ gewesen wäre.

1974 machte der damalige Intendant Reinhard Appell sie zu seiner persönlichen Referentin; auch bei dessen Nachfolger Richard Becker behielt sie diese Stelle. Marlies Hesse war damit die erste Frau in der Intendanz des Deutschlandfunks. 1977 übernahm sie den Vorsitz der Auswahlkommission für die Vergabe von Stipendien für Journalist*innen in Europa.

Installierung eines Frauenförderplans

1979 wurde Marlies Hesse zur Leiterin des Referats für Aus- und Weiterbildung ernannt, zuvor hatte sie bereits das neue Rahmenkonzept für die journalistische Ausbildung bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten mitentwickelt. Dieses ist bis heute weitestgehend verbindlich.

Als Leiterin des Referats für Aus- und Weiterbildung setzte sie beim Deutschlandfunk durch, dass mindestens die Hälfte der Ausbildungsplätze für Volontär*innen Frauen vorbehalten sein sollten. Zudem installierte sie einen Frauenförderplan für die fest angestellten Mitarbeiterinnen.

Im Ruhestand als Geschäftsführerin des Journalistinnenbundes tätig

Ab 1988 war sie Mitglied im neu gegründeten Journalistinnenbund sowie Mitherausgeberin bei der Verbandszeitschrift „Initiative Frauen-Presse-Agentur“, die bis zum Jahr 2000 vom Verein zur Förderung von staatsbürgerlicher Bildung und Mitarbeit von Frauen publiziert wurde.

Nach ihrer Pensionierung beim Deutschlandfunk 1994 übernahm Marlies Hesse die Geschäftsführung des Journalistinnenbundes. Ab 1995 koordinierte sie zudem das „Global Media Monitoring Project“ mit, das die größte internationale Studie zum Thema Geschlecht in den Nachrichtenmedien ist und darauf abzielt, die Darstellung von Frauen in den Medien zu ändern. Die Geschäftsführung des Journalistinnenbundes gab sie 2010 ab, am „Global Media Monitoring Project“ arbeitete sie bis 2020 mit.

„Marlies-Hesse-Nachwuchspreis“ für junge Journalistinnen

2002 stiftete sie den Nachwuchspreis des Journalistinnenbundes, der zunächst unter dem Titel „Andere Worte – neue Töne“ vergeben wurde. Erst elf Jahre später gab sie dem Nachwuchspreis ihren Namen. Seither wird der „Marlies-Hesse-Nachwuchspreis“ jährlich als Ansporn und Anerkennung an junge Frauen vergeben, die mit Rollenklischees in ihrer Berichterstattung brechen. Mit den Preisträgerinnen blieb Marlies Hesse auch Jahre später noch in Kontakt.

2003 wurde Marlies Hesse für ihr Lebenswerk mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. Der Journalistinnenbund verlieh ihr im selben Jahr für ihre Verdienste die Hedwig-Dohm-Urkunde. „Sie gibt, was sie hat, für die Sache der Frauen: Zeit, Energie und Bares, Herzenswärme und Freundschaft – und das alles mit verschwenderischer Begeisterung, der stets ein realistisches Augenmaß eigen ist“, lobte die Journalistin Gabi Dewald in ihrer Laudatio.

Bewusst kinderlos, aber nicht allein

Marlies Hesse lebte unabhängig und bewusst kinderlos. Allein blieb sie dennoch nie, sie pflegte viele Freundschaften und hatte gerne Gesellschaft. Als „warmherzig und zugewandt“ beschreiben sie ihre Weggefährtinnen, darunter die Journalistinnen Gabi Dewald und Tina Groll. Mit ihrer guten Freundin, der Ökonomin Elisabeth Stiefel, war sie im Alter zusammengezogen, die beiden Frauen lebten im Kölner Stadtteil Sürth.

Ende letzten Jahres stürzte Marlies Hesse und verbrachte einige Zeit im Krankenhaus und anschließend in der Kurzzeitpflege. Kurz vor ihrem Tod am 19. Februar 2024 konnte sie noch nach Hause zurückkehren.


Bildquelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Marlies_Hesse