Was fällt Ihnen als Erstes ein, wenn Sie den Begriff des Patriarchats hören? Denken Sie dann auch an Themen wie die Unterdrückung des weiblichen Geschlechts, unbezahlte Sorgearbeit, männliche Privilegien, toxische Männlichkeit oder aber Gender Pay Gap? Mit Feminismus wird oft eine Bewegung assoziiert, die all diese Un- gerechtigkeiten gegenüber Frauen aus der Welt schaffen will. Es ist klar: Reden wir über patriarchale Gesell- schaften, müssen wir den Fokus darauf legen, wie Frauen von dem System unterdrückt werden. Der Aktivist und Autor JJ Bola erweitert in seinem 2019 erschienenen Buch „Sei kein Mann“ diese Diskussion aber um einen interessanten Punkt. Dort schreibt er: Der Gedanke, dass Männer in jeglicher Hinsicht vom Patriarchat profitie- ren, sei irreführend. Vielmehr müsse es als ein Teufelskreis für Männer begriffen werden: Auf der einen Seite profitierten sie davon und trügen selbst dazu bei, auf der anderen Seite würden sie aber auch darunter leiden.

„Boys don‘t cry“

Gleich zu Beginn des Buchs stellt JJ Bola 2 Fragen, über die häufig in öffentlichen Debatten diskutiert wird (Bola, 2019, Seite 15): „Warum tauchen überwiegend Männer in der Statistik von Gewaltverbrechen auf, insbesondere bei sexueller Gewalt, von Belästigung bis hin zu Vergewaltigung? Warum ist Suizid die häufigste Todesursache von Männern unter 35?“

Einen Grund dafür sieht JJ Bola darin, dass Männern vom Kindesalter an erzählt wird, wie ein „echter“ Mann zu sein hat. Er muss stark sein, abgeklärt, logisch denken, niemals Gefühle oder Verwundbarkeit zeigen, denn echte Männer weinen nicht. Die Liste der Männlichkeitsmythen ist endlos.

All diese Formulierungen schaffen das Bild eines gesellschaftlich anerkannten Männerbildes und verfestigen einen „begrenzten Spielraum dessen, was ein Mann sein und nicht sein kann“ (Bola, 2019, Seite 24). Das Streben nach diesem idealen Typus setzt Männer jedoch stark unter Druck. Das Resultat: Männer, die an psychischen Traumata und Depressionen leiden, die es ablehnen, sich Hilfe zu suchen, da ein Mann stark sein und selbst damit zurechtkommen muss. Daraus folgt wiederum ein höchst aggressives Verhalten sich und anderen gegenüber.

Dass dies ein ernst zu nehmendes Problem ist, zeigen die Statistiken. JJ Bola führt in seinem Buch auf, dass einer Studie aus dem „Men’s Health Forum“ zufolge 76 % der Suizide von Männern begangen werden und dass 12,5 % aller Männer an weitverbreiteten psychischen Störungen (Angstzustände, Depression) leiden (Bola, 2019, Seite 44).

„Männer sind halt so“

Die Ursachen männlicher Gewalt werden häufig als etwas Natürliches beschrieben, wie beispielsweise mit den immer selben Ausreden bezüglich Biologie und Testosteron. Dabei wird jedoch der Faktor der gesellschaftlichen Sozialisation außer Acht gelassen (Bola, 2019, Seite 36).

Warum raufen Jungs immer?

Von früh auf nutzen Jungs und Heranwachsende Aggression zur Sozialisierung und Mannwerdung. Die Raufereien, die häufig unter heranwachsenden Männern beobachtet werden können, werden dazu genutzt, eine Rangordnung herzustellen. Schon in jungen Jahren wird deutlich, dass die Hierarchisierung unter Männern auf Gewalt fußt, nicht jedoch auf Nettigkeit und Empathie, die häufig als weibliche Eigenschaften gelten.

Im jungen Alter fühlen sich Männer oft unter Druck gesetzt, möglichst attraktiv zu wirken, um Mädchen, auf die sie stehen, zu beeindrucken. Rangeleien fungieren dann dazu, den Status in der Jungenclique zu erhöhen und zugleich den zuguckenden Mädchen zu imponieren (Bola, 2019, Seite 41, 42). Jungs raufen jedoch auch, weil sie ein Bedürfnis nach Berührung durch Umarmungen haben, wie sie es aus dem Prä-Teenagerleben gewohnt waren (Bola, 2019, Seite 42).

Wenn Männer Gewalt ausüben, hat das folgenden Hintergrund: „Die Aggressionen gegenüber Frauen haben viel zu tun (…) mit der mangelnden Fähigkeit, Gefühle wie Wut zu verarbeiten.“ Besonders unterdrückter Frust spiele dabei eine tragende Rolle (Bola, 2019, Seite 42).

Meine Empfehlung:
Das können Sie als Gleichstellungsbeauftragte tun
Es wäre nun wahrlich zu viel von Ihnen verlangt zu erwarten, die Sozialisation von heranwachsenden Jungen zu verändern. Was Sie jedoch tun können, ist zu versuchen, stereotype Männlichkeitsbilder am Arbeitsplatz zu durchbrechen oder zumindest aufzuzeigen und zu diskutieren. Beispielsweise können Sie das über Gesprächsräume organisieren, in denen sich Männer über stereotype Männlichkeitsbilder unterhalten und sich darüber austauschen, woher diese Verhaltensweisen eigentlich kommen. Dies könnte von Trainer*innen begleitet werden, die sich darauf spezialisiert haben.

Schauen Sie ggf. auch einmal nach Netzwerken, die sich konkret mit der Frage beschäftigen, wie in Unternehmen eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Väter erreicht werden kann.

FAQ-Bereich

Für wen ist „Gleichstellung im Blick“?

„Gleichstellung im Blick“ richtet sich speziell an Frauen-, Gleichstellungs- und Chancengleichheitsbeauftragte im öffentlichen Dienst und der freien Wirtschaft in ganz Deutschland.

Kann ich „Gleichstellung im Blick“ probelesen?

Ja. Wir bieten allen interessierten Frauen-, Gleichstellungs- und Chancengleichheitsbeauftragten die Möglichkeit eine Ausgabe 14 Tage lang kostenfrei zu lesen. Sie entscheiden erst dann, ob Sie einen kostenpflichtigen Bezug möchten oder nicht.

Was bietet mir „Gleichstellung im Blick“?

„Gleichstellung im Blick“ bietet allen Frauen-, Gleichstellungs- und Chancengleichheitsbeauftragten relevante, aktuelle und rechtssichere Informationen zur Herstellung von Chancengleichheit in der Arbeitswelt. Neben der gedruckten Ausgabe haben Leser*innen die Möglichkeit eine telefonische Sprechstunde für individuelle Fragen in Anspruch zu nehmen. Ebenso laden wir mindestens 1mal pro Jahr zu einem Netzwerktreffen zum Austauschen und Netzwerken ein. Ein Zugang zu einem Onlinebereich, in dem Sie Muster-Initiativanträge, Checklisten, Übersichten und Muster-Schreiben herunterladen können, rundet das Angebot ab.

Wie äußert sich die Problematik und was hat sie zur Folge?

Das Streben nach dem idealen Typus setzt Männer stark unter Druck. Das Resultat: Männer, die an psychischen Traumata und Depressionen leiden, die es ablehnen, sich Hilfe zu suchen, da ein Mann stark sein und selbst damit zurechtkommen muss. Daraus folgt wiederum ein höchst aggressives Verhalten sich und anderen gegenüber.
Dass dies ein ernst zu nehmendes Problem ist, zeigen die Statistiken. 76 % der Suizide werden von Männern begangen und 12,5 % aller Männer leiden an weit verbreiteten psychischen Störungen (Angstzustände, Depression).

Was würden Sie empfehlen um diesen Kreis zu durchbrechen?

Die Sozialisation von heranwachsenden Jungen kann nicht von einem einzelnen verändern werden. Jedoch kann versucht werden, stereotype Männlichkeitsbilder am Arbeitsplatz zu durchbrechen oder zumindest aufzuzeigen und zu diskutieren. Beispielsweise können Sie das über Gesprächsräume organisieren, in denen sich Männer über stereotype Männlichkeitsbilder unterhalten und sich darüber austauschen, woher diese Verhaltensweisen eigentlich kommen.