Immer wieder werde ich in Seminaren gefragt, was Ablehnungsgründe bei Anträgen auf Teilzeitarbeit sein können. Dabei wird insbesondere diskutiert, was schlichte, dringende und zwingende betriebliche Gründe sein können. Mit den betrieblichen Gründen, die unter Umständen einem Teilzeitwunsch entgegenstehen können, hat sich das Arbeitsgericht Hamburg in einer Entscheidung vom 4. Mai 2023 (Az. 1CA 208/22) auseinandergesetzt.
Das ist passiert: Ein Beschäftigter wollte seine Arbeitszeit auf 30 Wochenstunden an 4 Arbeitstagen reduzieren
Der Fall, über den entschieden wurde, war in der Privatwirtschaft angesiedelt. Streitpunkt war die Arbeitszeitreduzierung eines Beschäftigten, der zunächst 37,5 Stunden an fünf Tagen die Woche im Wareneingangsbereich des Arbeitgebers tätig war. Jeden dritten Freitag hatte der Beschäftigte allerdings frei. Der Beschäftigte verlangte die Reduzierung seiner Arbeitszeit auf 30 Wochenstunden und wollte ab Januar 2023 nurmehr an vier Arbeitstagen pro Woche arbeiten.
Der Arbeitgeber lehnte die Arbeitszeitreduzierung auf 30 Stunden pro Woche zwar nicht ab, war aber mit der Verteilung der Arbeitszeit auf vier Arbeitstage pro Woche nicht einverstanden. Er verlangte von dem Beschäftigten, die reduzierte Anzahl der Arbeitsstunden auf fünf Tage pro Woche zu verteilen. Der Arbeitgeber hatte die um 20 % reduzierte Arbeitszeit des Beschäftigten intern und extern ausgeschrieben, dies allerdings ohne Erfolg.
Arbeitgeber führte sein Organisationskonzept als Ablehnungsgrund an
Der Arbeitgeber führte im Rahmen des Klageverfahrens vor dem Arbeitsgericht Hamburg aus, dass sein Organisationskonzept den Wünschen des Beschäftigten entgegenstehe und dass dies als betrieblicher Grund im Sinne des § 8 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) zu sehen sei. Er erklärte, dass im Wareneingang des Unternehmens eine tägliche Bearbeitung erforderlich sei, und dies an fünf Tagen in der Woche. Weiter legte er dar, dass ein Organisationskonzept eine bestimmte Aufgabenverteilung vorsehe und die anfallenden Aufgaben und zwingend zu erledigenden Tätigkeiten jeweils von einer Hand zu erledigen seien, damit ein effizientes Arbeiten im Wareneingangsbereich sichergestellt sei.
Umverteilung der Arbeit war aus Sicht des Arbeitgebers nicht möglich
Der Arbeitgeber hielt eine Umverteilung der reduzierten Arbeitsstunden bzw. der anfallenden Arbeit auf die weiteren Beschäftigten nicht für möglich. Er war der Meinung, dass andere Beschäftigte die Tätigkeiten nicht übernehmen könnten, wenn einer der Beschäftigten ausfallen würde.
Der Arbeitgeber befürchtete, dass unverhältnismäßig hohe Personalkosten entstehen würden, und führte zudem aus, dass zu viele Beschäftigte ein höheres Fehlerrisiko für das Unternehmen bedeuten würden. Er war daher der Meinung, dass all dies ein betrieblicher Grund im Sinne von § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG sei.
Das entschied das Gericht: Verteilung der Arbeitszeit auf 4 Arbeitstage ist gerechtfertigt!
Das Arbeitsgericht gab allerdings dem Beschäftigten recht und sah die Ablehnung als rechtsunwirksam an. Die Richter*innen führten aus, dass die Prüfung regelmäßig in drei Stufen vorzunehmen sei, wenn betriebliche Gründe dem Wunsch eines Beschäftigten entgegenstehen würden.
Diese 3 Stufen sind zu überprüfen
Zunächst habe das Gericht festzustellen, ob der vom Arbeitgeber getroffenen Arbeitszeitregelung tatsächlich ein betriebliches Organisationskonzept zugrunde liegt, was hier zu bejahen sei. Im zweiten Schritt sei zu überprüfen, inwieweit die verlangte Arbeitszeitverlagerung diesem Organisationskonzept entgegenstehe. Im dritten Schritt ginge es dann um die Frage, ob die entgegenstehenden Gründe tatsächlich gewichtig seien. Hierbei sei zu beachten, ob das Organisationskonzept durch den Arbeitszeitwunsch des Beschäftigten wesentlich beeinträchtigt würde.
Angeführte betriebliche Gründe reichen nicht aus!
Das Gericht entschied im Rahmen dieser Prüfung, dass die von dem Arbeitgeber geltend gemachten betrieblichen Gründe nicht geeignet seien, das Organisationskonzept des Arbeitgebers wesentlich zu beeinträchtigen. Das, was der Arbeitgeber vorgetragen habe, sei weder schlüssig noch nachvollziehbar. Immerhin habe der Arbeitgeber der Arbeitszeitreduzierung an sich zugestimmt, es sei daher zu vermuten, dass die Kolleg*innen den Beschäftigten tatsächlich vertreten können. Ob dies an vier oder fünf Tagen der Fall sein müsse, könne dahingestellt bleiben.
Weiter führte das Gericht aus, dass der Beschäftigte schon vor seiner Arbeitszeitreduzierung jeden dritten Freitag frei gehabt habe. Insoweit sei klar, dass die Verteilung seiner Tätigkeiten auf weitere Beschäftigte an einem Freitag durchaus möglich sei. Nachvollziehbar sei für das Gericht deshalb nicht, warum dies zwar an jedem dritten Freitag, jedoch nicht an jedem Freitag möglich sein solle.
Das bedeutet die Entscheidung für Sie in der Praxis
Wie deutlich geworden ist, ist nicht jede Beeinträchtigung der betrieblichen Organisation oder gar eines betrieblichen Organisationskonzeptes ein Ablehnungsgrund hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit im Sinne von § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG. Vielmehr muss die Beeinträchtigung tatsächlich gewichtig und wesentlich sein.
Im vorliegenden Fall handelte es sich um den Einwand zur Lage der Arbeitszeit. Der Arbeitgeber hatte angegeben, dass sein Organisationskonzept einen Grund für die Ablehnung der Wünsche nach der Arbeitszeitlage bilden würde. Die Arbeitszeitreduzierung selbst hatte er genehmigt.
Sie als Gleichstellungsbeauftragte müssen in Ihrer Alltagspraxis Folgendes beachten: In dem Fall ging es um einen Antrag auf Arbeitszeitreduzierung nach dem TzBfG.
Hier sind die Hürden gering, die Arbeitgeber*innen zu überwinden haben, wenn sie einen Antrag oder Wünsche hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit der Beschäftigten ablehnen möchten: Es müssen diesem Antrag oder den Wünschen nur „einfache“ betriebliche Gründe entgegenstehen. Bei Teilzeitanträgen, die Beschäftigte mit Familien- und Pflegeaufgaben aufgrund von Care-Arbeit stellen, sind die Hürden höher.
Fazit: Einige Hürden, aber es lohnt sich
Das Organisationskonzept muss wesentlich beeinträchtigt sein
Um die Wünsche von Beschäftigten zur Lage ihrer reduzierten Arbeitszeit abzulehnen, müssen wesentliche Gründe vorliegen, die das Organisationskonzept der Arbeitgeber*innen beeinträchtigen.
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Zunächst habe das Gericht festzustellen, ob der vom Arbeitgeber getroffenen Arbeitszeitregelung tatsächlich ein betriebliches Organisationskonzept zugrunde liegt, was hier zu bejahen sei. Im zweiten Schritt sei zu überprüfen, inwieweit die verlangte Arbeitszeitverlagerung diesem Organisationskonzept entgegenstehe. Im dritten Schritt ginge es dann um die Frage, ob die entgegenstehenden Gründe tatsächlich gewichtig seien. Hierbei sei zu beachten, ob das Organisationskonzept durch den Arbeitszeitwunsch des Beschäftigten wesentlich beeinträchtigt würde.
Das Gericht entschied im Rahmen dieser Prüfung, dass die von dem Arbeitgeber geltend gemachten betrieblichen Gründe nicht geeignet seien, das Organisationskonzept des Arbeitgebers wesentlich zu beeinträchtigen. Das, was der Arbeitgeber vorgetragen habe, sei weder schlüssig noch nachvollziehbar. Immerhin habe der Arbeitgeber der Arbeitszeitreduzierung an sich zugestimmt, es sei daher zu vermuten, dass die Kolleg*innen den Beschäftigten tatsächlich vertreten können. Ob dies an vier oder fünf Tagen der Fall sein müsse, könne dahingestellt bleiben.