Immer wieder werde ich von Seminarteilnehmer*innen und Leser*innen gefragt, wie es sich gerade in Zeiten der Corona-Pandemie mit der Inanspruchnahme von Pflegezeit und Familienpflegezeit verhält. Als Gleichstellungsbeauftragte kommt Ihnen hier sicherlich die wichtige Aufgabe zu, Beschäftigte mit Pflegeaufgaben zu beraten. Sie können sich hierbei an diesem Beitrag zur Pflege von A bis Z orientieren.
A wie Angehörige
Zunächst einmal sehen das Pflegezeitgesetz (PflegeZG) und das Familienpflegezeitgesetz (FPfZG) eine Definition vor, für welche Angehörigen Pflegezeit oder Familienpflegezeit in Anspruch genommen werden kann. Die Definition findet sich in § 7 Abs. 3 PflegeZG.
„Nahe Angehörige im Sinne dieses Gesetzes sind:
- Großeltern, Eltern, Schwiegereltern, Stiefeltern,
- Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft, Geschwister, Ehegatten der Geschwister und Geschwister der Ehegatten, Lebenspartner der Geschwister und Geschwister der Lebenspartner,
- Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder, Adoptiv- oder Pflegekinder des Ehegatten oder des Lebenspartners, Schwiegerkinder und Enkelkinder.“
(Der Gesetzgeber hat hier vergessen, die Begrifflichkeiten zu gendern, die Begriffe wurden dem Gesetz so entnommen.)
Diese Definition, wer „nahe Angehörige“ im Sinne des PflegeZG sind, gilt gleichermaßen auch für das FPfZG. Nach den Frauengleichstellungsgesetzen wird jedoch der Bezug auf den Personenkreis teilweise anders geregelt bzw. nahe Angehörige breiter definiert. Beispielsweise ist im Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG) geregelt, dass es sich nicht um nahe Angehörige, sondern lediglich um pflegebedürftige Personen handeln muss.
Meine Empfehlung:
Dann sollten Beschäftigte das BGleiG in Anspruch nehmen
Dann sollten Beschäftigte das BGleiG in Anspruch nehmen Wenn pflegebedürftige Personen gepflegt werden, die nicht zu den nahen Angehörigen im Sinne des PflegeZG bzw. FPfZG gehören, dann würde ich empfehlen, die Beurlaubungs- bzw. Teilzeitregelungen des § 16 BGleiG zu nutzen, da hier jede pflegebedürftige Person umfasst ist. Vergleichbares gilt in den Ländern.
B wie Beschäftigte mit Pflegeaufgaben
Beschäftigte im Sinne des PflegeZG und auch FPfZG sind Arbeitnehmer*innen, zur Berufsausbildung Beschäftigte sowie Arbeitnehmer*innen ähnliche Personen. Nach dem PflegeZG wird eine Pflegebedürftigkeit immer dann unterstellt, wenn dem nahen Angehörigen ein Pflegegrad zuerkannt wurde. Hierbei ist es unerheblich, welcher Pflegegrad dies ist.
B wie die befristete Vertretung
§ 6 PflegeZG sieht vor, dass Arbeitgeber*innen zur Vertretung von Beschäftigten, die Pflegezeit oder Familienpflegezeit in Anspruch nehmen, jemanden befristet einstellen können. Die Vertretung zum Zweck der Pflege gilt als sachlicher Grund für die Befristung des Arbeitsverhältnisses.
Die Dauer der Vertretung kann auch die notwendige Zeit einer Einarbeitung mit einbeziehen. Die Befristung kann kalendermäßig bestimmt vereinbart werden oder auch als sogenannte Zweckbefristung.
Arbeitgeber*innen sind berechtigt, den befristeten Arbeitsvertrag mit einer Frist von 2 Wochen zu kündigen, falls der oder die Beschäftigte mit Pflegeaufgaben vorzeitig aus der Pflegezeit oder Familienpflegezeit zurückkehrt. Das Kündigungsschutzgesetz kommt in so einem Fall nicht zum Tragen. Diese Regelung kann allerdings einzelvertraglich ausgeschlossen werden.
D wie Dauer der Pflegezeit
Pflegezeit kann nach dem PflegeZG bis zu einer Dauer von 6 Monaten in Anspruch genommen werden, in Kombination mit der Familienpflegezeit nach FPfZG insgesamt für 24 Monate. Beschäftigte können sich aber auch entschließen, nur die Familienpflegezeit für 24 Monate zu beanspruchen, und nicht die Pflegezeit nach dem PflegeZG.
E wie Entgelt
Während der Dauer der Pflegezeit und vollständigen Beurlaubung für maximal 6 Monate erhalten die Beschäftigten kein Entgelt. Die Pflegekasse übernimmt zwar die Sozialabgaben für sie, zahlt aber nur der pflegebedürftigen Person das Pflegegeld. In der Praxis wird dies oft an die pflegenden Personen weitergeleitet.
Nehmen Beschäftigte Pflegezeit oder Familienpflegezeit in Teil- zeitarbeit in Anspruch, haben sie die Möglichkeit, ein Darlehen zur Aufstockung ihres Einkommens bei dem Bundesamt für Fa- milie und zivilgesellschaftliche Angelegenheiten zu beantragen. Dies gilt auch für die Vollfreistellung von Beschäftigten. Ansons- ten erhalten die Teilzeitbeschäftigten während dieser Zeit nur ihr Entgelt für ihre Teilzeittätigkeit.
F wie Familienpflegezeit
Beschäftigte können Familienpflegezeit nach dem FPfZG für pflegebedürftige Angehörige in Anspruch nehmen. Diese Familienpflegezeit beträgt maximal 24 Monate und wird lediglich in Teilfreistellung gewährt.
Während der Familienpflegezeit können Beschäftigte ebenfalls ein Darlehen vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Angelegenheiten zur Aufstockung ihres Einkommens beantragen. Die Familienpflegezeit kann – wie bereits erwähnt – mit der Pflegezeit kombiniert werden, beide Pflegezeiten zusammen dürfen jedoch 24 Monate nicht überschreiten.
F wie Fristen
Bei der Inanspruchnahme von Pflegezeit und Familienpflegezeit sind die im Gesetz genannten Ankündigungsfristen zu beachten. So muss beispielsweise die Inanspruchnahme von Pflegezeit gemäß § 2 PflegeZG innerhalb einer Frist von 10 Arbeitstagen vor Beginn schriftlich dem*der Arbeitgeber*in angekündigt werden, und zwar mit der gleichzeitigen Erklärung, für welchen Zeitraum und in welchem Umfang die Freistellung von der Arbeitsleistung in Anspruch genommen wird. Weitere Ankündigungsfristen finden sich – gerade in Bezug auf die Kombination von Pflegezeit und Familienpflegezeit – in den jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen.
H wie häusliche Pflege
Sowohl die Pflegezeit als auch die Familienpflegezeit können nur zum Zweck der häuslichen Pflege in Anspruch genommen werden. Beschäftigte müssen also die pflegebedürftige Person im eigenen oder in deren Haushalt tatsächlich pflegen oder betreuen. Eine Ausnahme sind hier minderjährige pflegebedürftige Kinder: Diese können auch bei Unterbringung in einer Pflegestation oder im Rahmen der ambulanten Pflege betreut werden und Beschäf- tigte können hierfür die Freistellung in Anspruch nehmen.
K wie Kündigungsschutz
Beschäftigte, die Familienpflegezeit oder Pflegezeit beanspruchen, genießen den sogenannten Sonderkündigungsschutz. Ihnen kann ab dem Zeitpunkt der Ankündigung, höchstens jedoch 12 Wochen vor dem angekündigten Beginn, bis zur Beendigung der Pflegezeit bzw. Familienpflegezeit nicht ordentlich gekündigt werden. Hierzu gibt es allerdings eine Ausnahme: In besonderen Fällen kann die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder eine andere hierfür bestimmte Stelle ausnahmsweise eine Kündigung für zulässig erklären. Dies dürfte aber im öffentlichen Dienst nicht bzw. kaum möglich sein.
P wie Pflegenotstand
Der Gesetzgeber unterscheidet in § 2 PflegeZG den sogenannten Pflegenotstand von der in § 3 PflegeZG geregelten Pflegezeit. Im Rahmen des Pflegenotstands können Beschäftigte ohne weitere Ankündigungsfristen 10 Tage von der Arbeit fernbleiben, wenn sie die Pflege eines nahen Angehörigen organisieren oder aber zum Zweck der Pflege einspringen müssen.
Die 10 Tage gelten für jeden pflegebedürftigen Angehörigen. Beschäftigte müssen den*die Arbeitgeber*in insoweit nur von der Inanspruchnahme der Pflegeunterstützungszeit informieren. In Zeiten von Corona wurde die Pflegeunterstützungszeit auf 20 Tage erhöht.
P wie Pflegeunterstützungsgeld
Für die Zeit des Pflegenotstands erhalten die Beschäftigten ein sogenanntes Pflegeunterstützungsgeld. Dies wird für gewöhnlich für 10 Arbeitstage pro pflegebedürftigen Angehörigen gezahlt, ähnlich wie das Kinderkrankengeld. Jetzt in Zeiten von Corona wird von der Pflegekasse für 20 Tage Pflegeunterstützungsgeld an die Beschäftigten gezahlt.
P wie Pflegezeit
Beschäftigte können sich zum Zweck der Pflege von pflegebe- dürftigen Angehörigen im Sinne des PflegeZG für maximal 6 Monate in Voll- oder Teilzeit freistellen lassen. Einen Antrag auf Pflegezeit können Arbeitgeber*innen nicht ablehnen, sondern müssen ihn gewähren.
Anders verhält es sich allerdings hinsichtlich des Umfangs der Reduzierung und der Lage der Arbeitszeit bei Teilzeitpflege. Hier kann die*der Arbeitgeber*in wegen berechtigter betrieblicher Interessen ggf. auch die Wünsche der Beschäftigten ablehnen.
Gegen eine solche Ablehnung können die Beschäftigten sich aber ggf. wehren, beispielsweise, wenn die Gründe der Ablehnung nicht hieb und stichfest sind.
Sie sind als Gleichstellungsbeauftragte natürlich auch bei Anträgen auf Pflegezeit- und Familienpflegezeit zu beteiligen, schließlich handelt es sich hierbei um eine personelle Angelegenheit.
Sie werden bei Ihrer Beteiligung zu überprüfen haben, ob die Ab- lehnungsgründe tatsächlich hinreichend sind oder nicht.
S wie Sterbebegleitung
Sterbebegleitung ist im PflegeZG gesondert geregelt, nämlich in § 3 PflegeZG. Danach können Beschäftigte, die nahe Angehörige im Rahmen einer Palliativbehandlung begleiten wollen, sich hierfür maximal 3 Monate vollständig oder teilweise freistellen lassen. Die pflegebedürftige Person muss an einer Erkrankung leiden, die progredient verläuft und bereits ein weit fortgeschrittenes Stadium erreicht hat, sodass die Heilung ausgeschlossen ist.
Fazit: Unterstützen Sie Beschäftigte mit pflegebedürftigen Angehörigen
Gerade in Zeiten von Corona haben Sie die Möglichkeit, Beschäftigte mit Pflegeaufgaben sinnvoll zu unterstützen. Sei es im Rahmen ihrer Beteiligung oder aber auch durch Ihre fachkompetente Beratung. Verlieren Sie diese Kolleg*innen nicht aus dem Blick!
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– Großeltern, Eltern, Schwiegereltern, Stiefeltern,
– Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft, Geschwister, Ehegatten der Geschwister und Geschwister der Ehegatten, Lebenspartner der Geschwister und Geschwister der Lebenspartner,
– Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder, Adoptiv- oder Pflegekinder des Ehegatten oder des Lebenspartners, Schwiegerkinder und Enkelkinder.“
Pflegezeit kann nach dem PflegeZG bis zu einer Dauer von 6 Monaten in Anspruch genommen werden, in Kombination mit der Familienpflegezeit nach FPfZG insgesamt für 24 Monate. Beschäftigte können sich aber auch entschließen, nur die Familienpflegezeit für 24 Monate zu beanspruchen, und nicht die Pflegezeit nach dem PflegeZG.