Die neue Bundesregierung will die Hürden einer Änderung des Eintrags im Personenstandsregister abschaffen. Demnach soll jeder Mensch in Deutschland das Geschlecht sowie den Vornamen selbst festlegen und beim Standesamt ändern lassen können. So sieht es ein am 30.6.2022 vorgestelltes Selbstbestimmungskonzept der Bundesministerien für Familie und Justiz vor. Da auch hierzulande gewisse Bedenken aus feministischer Sicht zu vernehmen sind, wollen wir an dieser Stelle einen Blick nach Argentinien wagen. Hier jährt sich das Selbstbestimmungsgesetz nun zum 10. Mal.
Iststand für trans- und nicht-binäre Personen bei Geschlechts- und Namensänderung
Bislang gilt für Transpersonen und nicht-binäre Personen noch das Transsexuellengesetz von 1981. Dieses wurde bereits in weiten Teilen durch das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig und nicht anwendbar erklärt.
Um den Geschlechtseintrag und den Vornamen als Trans- oder nicht-binäre Person ändern zu lassen, ist derzeit ein Gerichtsverfahren nötig, in dem 2 Sachverständigengutachten eingeholt werden müssen. Für Transpersonen wäre es daher eine große Erleichterung, keine rechtlichen und medizinischen Hindernisse mehr zu haben, die oftmals mit Erniedrigung, Scham und mitunter hohen Kosten einhergehen.
Das sind die Bedenken von einigen Feminist*innen
Zu den Bedenken von einigen feministischen Gruppierungen gehört, dass die Gewährung von Trans-Rechten die Rechte derjenigen untergräbt, die von Geburt an als Frau gelebt haben. Des Weiteren befürchten sie, dass Männer, die sich als Transfrauen ausgeben, eine körperliche Bedrohung in gleichgeschlechtlichen Räumen wie beispielsweise in Toiletten oder Umkleideräumen darstellen könnten.
Ein Blick nach Argentinien liefert erste Erkenntnisse
Argentinien hat bereits 2012 als erstes Land weltweit die sogenannte Gender Self-ID eingeführt. Seitdem ist es jedem Menschen erlaubt, das Geschlecht per Selbsterklärung ohne ärztliche oder juristische Bescheinigung zu ändern. Statistiken der Regierung zufolge haben in den letzten 10 Jahren 12.655 Menschen ihr rechtliches Geschlecht in Argentinien geändert. Das entspricht einem Verhältnis von 1 : 3.846 (Link: https://t1p.de/roz4g).
Statistisch keine Auswirkung auf Frauenrechte
Vor Einführung der Selbsterklärung gab es auch in Argentinien seitens feministischer und konservativer Gruppierungen die gleichen Bedenken, die auch hierzulande zu vernehmen sind. Doch die Auswertung nach nunmehr 10 Jahren zeigt, dass die Bedenken unbegründet waren.
Laut Greta Pena, politische Referentin im argentinischen Gleichstellungsministerium, gibt es keine Beweise für einen Anstieg der Gewalt von Transfrauen gegen Frauen, seit das Gesetz verabschiedet wurde. Dies bestätigen auch mehrere feministische Gruppierungen Argentiniens, wie Ecofeminita, FEIM, ELA und Colectiva La Revuelta.
Laut einer Regierungsstudie aus dem Jahr 2021 gab es lediglich einen Fall einer Transfrau, die zwischen 2013 und 2019 wegen sexuellen Missbrauchs angeklagt und verurteilt wurde. „Möglichkeiten für Missbrauch gibt es im Selbstbestimmungsgesetz, aber Fälle sind selten“, sagte Ana Clara Piechestein, Juraprofessorin an der Universität Buenos Aires.
Extraquote für Transpersonen im öffentlichen Sektor
Argentinien hat außerdem eine Beschäftigungsquote für Transmenschen im öffentlichen Sektor eingeführt. Zudem gibt es seit dem vergangenen Jahr nicht-binäre Ausweisdokumente, um Personen zu erkennen, die sich nicht als männlich oder weiblich identifizieren. Ebenso wurde im Juli vermeldet, dass auch Pakistan in einer Provinz eine Quote für Transpersonen im öffentlichen Sektor eingeführt hat (Link: https://t1p.de/r32dg). Diese Extrakategorien für Transpersonen sind allerdings auch ausschließend. So wünschen sich beispielsweise Transfrauen, einfach als Frau wahrgenommen und behandelt zu werden.
Sachliche Diskussionen sind positiv zu bewerten, denn sie setzen Veränderungen in Gang
Der gesellschaftliche Aushandlungsprozess zum Thema Geschlecht ist gerade in vollem Gange und das ist tatsächlich etwas Positives. Wir sind alle in einem binären Geschlechtersystem aufgewachsen. Dass für ein diesbezügliches Umdenken Aufklärungsarbeit notwendig ist, die Diskussionen nach sich zieht, ist somit nicht verwunderlich.
Nicht aus dem Blick geraten sollte hierbei allerdings die Tatsache, dass Transpersonen weltweit ein 6-mal höheres Suizidrisiko aufweisen und so zu den vulnerablen Gruppen gehören. Die Stärkung der Rechte von Transpersonen sollte daher mehr aus der Perspektive der Betroffenen betrachtet werden, als Ängste zu schüren, die jeglicher Grundlage entbehren.
Meine Empfehlung:
Sollten Sie solche Äußerungen in Ihrer Dienststelle vernehmen – klären Sie auf
Sie als Gleichstellungsbeauftragte könnten sich in erster Linie selbst einmal mit Ihren Vorstellungen, aber auch Vorurteilen rund um das Thema Geschlecht auseinandersetzen. In unseren Info-Tipps auf Seite 4 finden Sie beispielsweise einige Anregungen. So sind Sie auch besser gewappnet, falls diesbezügliche Äußerungen in Ihrer Dienststelle zu vernehmen sind.
FAQ-Bereich
„Gleichstellung im Blick“ richtet sich speziell an Frauen-, Gleichstellungs- und Chancengleichheitsbeauftragte im öffentlichen Dienst und der freien Wirtschaft in ganz Deutschland.
Ja. Wir bieten allen interessierten Frauen-, Gleichstellungs- und Chancengleichheitsbeauftragten die Möglichkeit eine Ausgabe 14 Tage lang kostenfrei zu lesen. Sie entscheiden erst dann, ob Sie einen kostenpflichtigen Bezug möchten oder nicht.
„Gleichstellung im Blick“ bietet allen Frauen-, Gleichstellungs- und Chancengleichheitsbeauftragten relevante, aktuelle und rechtssichere Informationen zur Herstellung von Chancengleichheit in der Arbeitswelt. Neben der gedruckten Ausgabe haben Leser*innen die Möglichkeit eine telefonische Sprechstunde für individuelle Fragen in Anspruch zu nehmen. Ebenso laden wir mindestens 1mal pro Jahr zu einem Netzwerktreffen zum Austauschen und Netzwerken ein. Ein Zugang zu einem Onlinebereich, in dem Sie Muster-Initiativanträge, Checklisten, Übersichten und Muster-Schreiben herunterladen können, rundet das Angebot ab.
Bislang gilt für Transpersonen und nicht-binäre Personen noch das Transsexuellengesetz von 1981. Dieses wurde bereits in weiten Teilen durch das Bundesverfassungsgericht für verfassungs- widrig und nicht anwendbar erklärt. Um den Geschlechtseintrag und den Vornamen als Trans- oder nicht-binäre Person ändern zu lassen, ist derzeit ein Gerichtsverfahren nötig, in dem 2 Sachverständigengutachten eingeholt werden müssen.
Zu den Bedenken von einigen feministischen Gruppierungen gehört, dass die Gewährung von Trans-Rechten die Rechte derjenigen untergräbt, die von Geburt an als Frau gelebt haben. Des Weiteren befürchten sie, dass Männer, die sich als Transfrauen ausgeben, eine körperliche Bedrohung in gleichgeschlechtlichen Räumen wie beispielsweise in Toiletten oder Umkleideräumen darstellen könnten.